Gedanken zum Tag — 03. November 2021 — Mitt­woch der 31. Woche im Jahreskreis

3. Nov. 2021

„Pilgern um die Ecke“

Vor einigen Jahren bin ich nach langem Weg, erschöpft aber glück­lich, über den Camino Primi­tivo in Sant­iago ange­kommen. Nach einer bewe­genden Messe und Besuch des Jakob-Grabes glaubte ich am Ziel meiner Pilger­reise zu sein. Beim Verlassen der Kathe­drale wurde ich aller­dings auf ein Zeichen am Südportal aufmerksam, das mich bis heute nicht loslässt: Das gele­gent­lich anzu­tref­fende christ­liche Symbol „Alpha und Omega“ aus dem grie­chi­schen Alphabet steht für Anfang und Ende und für das Allum­fas­sende, für Jesus Christus.

Hier stand aber das Omega zuerst und dann kam das Alpha. Was hatte das zu bedeuten? In der Erklä­rung war mein Weg noch lange nicht zu Ende, denn das Ende des Weges (Omega) ist für den Pilger immer auch ein neuer Anfang (Alpha).

An einem sonnigen Herbst­wo­chen­ende bot sich mir beim „Pilgern um die Ecke“ erneut die Gele­gen­heit, mich auf den Weg zu machen, die Kraft der Natur zu spüren, freund­schaft­liche Begeg­nungen in der Gruppe zu erleben, aber auch Momente der Stille auf mich wirken zu lassen.

Auf dem Weg von der Mari­en­kirche über Fahlen­scheid, Einsie­delei, Hohe Bracht zur Eucha­ris­tie­feier und Über­nach­tung im Jugendhof „Maria Königin“ und am nächsten Morgen weiter auf Höhen­wegen Rich­tung Bonzel, Greven­brück bis Heggen, beglei­teten uns Texte von Frauen des Alten und Neuen Testa­ments. Es handelte sich um Frauen, die trotz ihrer dama­ligen benach­tei­ligten gesell­schaft­li­chen Stel­lung und mancher Rück­schläge im Leben, nicht verzwei­felt und verbit­tert wurden, sondern selbst­be­wusst und zuver­sicht­lich ihren Weg gingen, weil Gott sie auf ganz unter­schied­liche Weise beachtet, hervor­ge­rufen und gestärkt hat.

Die Geschichte von Noomi und Rut hat mich dabei beson­ders berührt. Beide Frauen haben ihre Männer verloren, meis­tern aber ihr Schicksal im Vertrauen auf Gott, der ihr Handeln bestimmt. Noomi hält trotz ihrer Trau­rig­keit und Enttäu­schung an Gott fest. Sie ist ihrer Schwie­ger­tochter Rut liebe­voll zuge­wandt, will sie aber zunächst nicht mit zurück in ihre Heimat nehmen, weil sie befürchtet, dass Rut dort als Auslän­derin zurück­ge­wiesen wird. Rut aber will bei ihr bleiben und begleitet Noomi entschlossen auf ihrem Weg, obwohl dieser in die Fremde und eine unsi­chere Zukunft führt. Rut lässt sich voller Hoff­nung und Zuver­sicht auf Noomi ein, sorgt sich um sie und findet schließ­lich eine neue Heimat und über Noomi auch die Nähe zu Gott:

„Wohin du gehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.“ (Rut 1, 16)

Die Erzäh­lungen, Gebete und Lieder auf dem Weg gaben mir wert­volle Impulse für ein christ­li­ches Verständnis und Handeln. Unter­wegs bin ich offenen und fröh­li­chen Menschen begegnet, habe das Vertrauen in der Gemein­schaft gespürt und eine leben­dige Kirche erfahren, die mich ermu­tigt, immer wieder aufs Neue nach Gottes Wegen zu fragen.

Herz­li­chen Dank an Sr. Gertrudis Lüne­borg und Barbara Clemens für die groß­ar­tige Vorbe­rei­tung und Beglei­tung zum „Pilgern um die Ecke“ auf Einla­dung der Pasto­ral­ver­bünde Olpe/Drolshagen und Wendener Land.

Ulrike Beck­mann

 

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