Gedanken zum Tag – 3. Mai 2020, 4. Sonntag der Osterzeit

3. Mai 2020

Liebe Lese­rinnen und Leser,

am 4. Sonntag nach Ostern spricht das Evan­ge­lium vom Guten Hirten. In allen drei Lese­jahren ist das so.

Das Bild vom Guten Hirten tut gut: Er sorgt sich. Er kümmert sich. Er begleitet in Gefahren.

Der Gute Hirte braucht aber auch Schafe. Das will heute eher keiner mehr sein. So steht das Bild auch unter Verdacht, über­kom­mene kirch­liche Struk­turen zu untermauern.

Auch jetzt in der Corona-Krise gibt es offen­sicht­lich Hirten. Das ist wohl nötig. Zuweilen profi­lieren sie sich auch gern so.

Und es gibt Schafe. Die genau das aber langsam leid sind.

Ursprüng­lich ist das Bild vom Guten Hirten erstmal ein altes Chris­tus­bild. Es findet sich in vielen Grab­stätten der frühen Christen.

Warum? Es drückt aus, wie sich die Christen damals vom Evan­ge­lium her sehen: Es führt sie nicht zu Erge­ben­heit in das Schicksal und den Tod. Auch den Armen und den Sklaven — viele von ihnen gehören dazu — verheißt es Leben. Ihnen ganz persön­lich. Leben, das vor Gott zählt: Du bist in den Händen des leben­digen Gottes. Er geht auf dich zu, er geht dir nach.

Das zündet wie eine Bombe. Da ist plötz­lich jeder etwas wert. Ein Gegen­bild ist das zu den Schreck­bil­dern, denen die Menschen in der Realität ausge­setzt sind. Ein Gegen­bild, das aber auch selbst Realität formt aus der Erfah­rung des Glau­bens. Und Kräfte freisetzt.

Der Gute Hirte, er macht Leben heil. Das macht ihn aus. Eine befrei­ende Botschaft ist das. Ein kriti­scher Maßstab für Struk­turen, nicht nur in der Kirche.

Jetzt zu den Schafen: Die braucht ein Hirt. Hier in diesem Bild aber nicht als ein Objekt von Gängelei. Sie sind geliebt, damit sie Leben haben.

Und außerdem: So eindeutig sind die Rollen nicht vergeben. Wen öster­liche Hoff­nung trägt, der ist nicht einfach Schaf. Er ist auch Guter Hirte für andere. Mögli­cher­weise sogar für die, die sich selbst für Hirten halten.

Das alles gilt nicht nur in der Kirche. Auch für einen Blick in die Gesell­schaft und jetzt in die Corona-Krise hat das Bild seine Reize.

Clemens Stei­ling

 

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