In der kommenden Woche ist eine Reisegruppe des Pastoralen Raums Olpe-Drolshagen neun Tage auf den Spuren des Hl. Apostels Jakobus unterwegs. Nach der Anreise per Flugzeug in das nordspanische Bilbao sind die Pilgernden per Bus auf der ca. 700 km langen Strecke Richtung Santiago de Compostela. Der Weg bietet immer wieder die Möglichkeit, neben Besichtigungen an kleinen Wanderungen teilzunehmen, die die Teilnehmenden hautnah auf schöne Abschnitte des Jakobswegs bringen. Hinzu kommen Elemente der geistlichen Einkehr wie die Feier der Hl. Messe, Morgen- und Abendgebete sowie geistliche Impulse an bestimmten Etappenabschnitten.
Was bewegt eigentlich Menschen, um nach ein, zwei Tagen oder auch ein oder mehreren Wochen „Heilige Orte“ zu erreichen? – Es gibt die verschiedensten Motive für eine Wallfahrt: der Wunsch nach Heilung, der Dank für eine Genesung, die Bitte um Erfüllung besonderer Wünsche, Fernweh, Reise- oder Abenteuerlust. Fast allen Pilgern ist aber die Sehnsucht nach dem „heiligen Ort“ gemeinsam. Wallfahren ist ein Zeichen, das zum Ausdruck bringt: Menschen sind in dieser Welt stets unterwegs und haben Ziele vor Augen, welche unterschiedlich sind und vielfach auf die Erfahrung Gottes abheben.
So machen sich im Fall der Jakobuswallfahrt mehr als 1000 Jahre Menschen in allen Teilen Europas auf, um nach Santiago de Compostela zu gelangen. Neben Rom und Jerusalem ist es die bedeutendste Pilgerstätte der Christenheit. Jakobus der Ältere war mit seinem Bruder Johannes einer der zwölf Apostel Jesu. Jakobus wurde durch König Herodes Agrippa I. im Jahr 44 n. Chr. in Jerusalem hingerichtet und eine Legende erzählt, dass zwei seiner Freunde den Leichnam stahlen, ihn nach Jaffa an der israelischen Mittelmeerküste schafften und dort auf ein Schiff verluden, dessen Besatzung aus unsichtbaren Engeln bestand. Dieses Schiff war dann sieben Tage unterwegs und strandete an der Küste Galiciens bzw. Nordwestspaniens. Dort wurde der Leichnam auf einen Ochsenkarren verladen. An dem Ort, an dem sich die Ochsen danach niederließen, soll er begraben worden sein. Um 825, mehr als 780 Jahre später, wurde ein Grab gefunden, von wundersamen Lichtzeichen (Sternen) überstrahlt. Es entstand an dieser Stelle eine Grabkirche, um die sich eine Ansiedlung mit Markt bildete: Santiago de Compostela (aus dem Lateinischen campus stellae = „Sternenfeld“), zu Deutsch Hl. Jakobus vom Sternenfeld.
Zahlreiche Wunder und Legenden umrankten im Laufe der Zeiten die Person des Heiligen. Immer wieder flehte man ihn um Hilfe an und er unterstützte die Menschen in Not und Gefahr. Durch die allgemeine politische Situation und die Kirchenpolitik wurde die Pilgerfahrt in den Jahrhunderten vielfach gefördert. Die drohende Eroberung ganz Spaniens im 8. Jahrhundert durch die Mauren musste gestoppt werden. Der heilige Santiago erhielt den Beinamen „der Maurentöter“, weil er gemäß einer Legende Karl dem Großen in der entscheidenden Schlacht gegen die Mauren zu Hilfe eilte und so den Christen zum Sieg verhalf. Mit ca. einer Million Pilgern pro Jahr erreichte der Pilgerstrom im 12. Jahrhundert seinen vorläufigen Höhepunkt. Es wurden Straßen für die Pilger gebaut, Brücken, Herbergen und Hospize. Ende des 16. Jahrhunderts, zur Zeit der Aufklärung bzw. Reformation, die die Verehrung Heiliger in Frage stellte, gab es dann kaum noch Wallfahrer. Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte die Pilgerschaft auf dem Jakobsweg erneut einen großen Aufschwung. Der Grund dafür wurde durch das 2. Vatikanische Konzil (1962–65) in Rom gelegt, welches von der Kirche im Bild des pilgernden Volk Gottes sprach. Ferner machten Personen des öffentlichen Lebens durch ihre eigenen Erfahrungen und Berichte die Jakobuswallfahrt populär. Die Legenden über den Hl. Jakobus, das Ziel der Wallfahrt und vor allem der Weg faszinierten im Lauf der Geschichte und faszinieren heute erneut viele Menschen.
Um an die bereits gestellte Frage anzuknüpfen: Was kann also Pilgern für heutige Menschen bedeuten? – Auf Pilgerschaft sein, pilgern, bedingt eine Ortsveränderung, sowohl geografisch, körperlich als auch spirituell. Pilgern ist die Einladung, eine Auszeit zu nehmen, sich neu zu erleben und zu orientieren. Pilgern fordert heraus, unterwegs zu sein zu sich selbst. „Ultreia – Auf geht‘s, vorwärts, immer weiter nach Santiago!“ – so lautet der Ruf des Jakobuspilgers. Auch wenn ich nicht auf Reisen nach Santiago bin, kann dieser Ruf ein Ansporn für mein tägliches Leben sein, das Wesentliche im Blick zu haben und Gott nicht aus den Augen zu verlieren.
Johannes Hammer, Pfr.
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