Vermutlich wurde jeder schon mal damit konfrontiert, von einem lieben Menschen Abschied nehmen zu müssen. Menschen sind nicht darauf ausgelegt, sich mit Tod und Trauer zu beschäftigen. Wir leben im hier und jetzt. Doch zur Verarbeitung ist es wichtig, sich mit erlebten Schicksalsschlägen auseinander zu setzen. Ein Gedenktag wie Allerseelen lädt dazu ein.
Ursprünglich geht der Gedenktag Allerseelen auf den Abt Odilo von Cluny zurück. Er führte 998 n.Chr. diesen Gedenktag ein, um für die armen Seelen Verstorbener zu beten, die sich im Fegefeuer befinden, einer Art Zwischenzustand und Ort der Reinigung und Läuterung. Durch Gebet, Fürbitte, Almosen und Friedhofsgänge sollten die lebenden Menschen den verstorbenen Seelen helfen, diesen Zustand zu überwinden und ihnen so den Aufstieg in das Himmelreich ermöglichen.
Im Laufe der Jahre entwickelten sich unterschiedlichste Traditionen und Bräuche:
Traditionell werden die Gräber von Angehörigen geschmückt und kleine Lichter angezündet, sogenannte „Seelenlichter“. Die Gräber werden von Priestern gesegnet und in Messfeiern werden die Namen der im vergangenen Jahr verstorbenen Menschen vorgelesen.
Vielerorts werden süße Zopfgebäcke gebacken, sogenannte „Totenbrote“, da es in vorchristlicher Zeit üblich war, Speisen und Getränke an die Gräber der Verstorbenen zu bringen. Auf den Abt von Cluny geht der Brauch zurück, Brot und Wein an Bedürftige zu geben. Oder auch an reichere Leute, die im Gegenzug dazu angehalten wurden, für die Verstorbenen zu beten.
Vielerorts erbettelten arme Kinder den sogenannten „Allerseelenkuchen“. Die Vermutung liegt nahe, dass dieser Brauch über irische Auswanderer nach Amerika gelangte und zum Heischebrauch von Halloween wurden.
Seit je her war Allerseelen für die Menschen gleichsam mit Mystik und Aberglauben verbunden. So hielt sich die Vorstellung, dass Verstorbene als Geister an diesen Tagen umherwandern. Besonders intensiv ist dieser Glaube in Mexiko verankert, der besagt, dass einmal im Jahr die Toten zurück auf die Erde kommen, um vereint mit den Lebenden das große Wiedersehen ausgiebig zu feiern. Musik und gutes Essen sind dabei nur ein Teil der weitreichenden Festlichkeiten dieses freudigen Anlasses.
Selbst Menschen, die den Traditionen nicht folgen, werden spätestens beim Einkaufen im Supermarkt auf die traditionellen Gestecke und Grablichter aufmerksam. In den Zeitungen wie auch in zahlreichen Online-Medien wird das Thema Tod und Trauer thematisiert. Die Radiosender spielen ruhigere Musik und das Fernsehen sendet passende Beiträge.
Auch wenn wir den Tod am liebsten aus unserem Leben verdrängen würden, so ist es doch wichtig, sich mit ihm auseinander zu setzen. Denn was lässt das eigene Leben besser leben als das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit. Es lohnt sich, die Frage zu stellen: „Was würde ich tun, wenn heute mein letzter Tag wäre? Für was investiere ich meine Lebenszeit? Was ist wesentlich? Um wen trauere ich?“
Es heißt nicht umsonst ALLER-Seelen. Es geht nicht darum, etwas geleistet zu haben oder besonders gutmenschlich zu sein. Es geht schlicht um jede einzelne Seele… mit allen Wesensarten, Besonderheiten, Ecken und Kanten. Denn jeder Mensch ist einzigartig und unersetzbar.
Und, ja, es lohnt sich, die Toten zu ehren und sich gleichsam der eigenen Sterblichkeit und dem eigenen Leben bewusst zu werden: „Carpe Diem“ – Nutze den Tag.
Ihre Daniela Jung
(Bestattermeisterin — Bestattungshaus Maiworm)