Gedanken zum Tag – 7. Mai 2020, Donnerstag der vierten Osterwoche

7. Mai 2020

Liebe Lese­rinnen und Leser,

Fußball-Deutsch­land steht Kopf, Politik und Gesell­schaft disku­tieren vehe­ment zwischen „system­re­le­vant“ und „unver­schämtem Lobbying“, mit nahezu unzähl­baren Nuancen. Entschei­dungen sind getroffen und dennoch: Wie geht´s weiter mit der Saison?

Eine sehr ähnliche Frage vor ein paar Wochen in den USA: Wie kann der „Draft“ funktionieren?
Mindes­tens zweimal im Jahr steht Foot­ball-Amerika Kopf. Dann geht es um den „Super Bowl“ (Februar) und eben den „Draft“ (April). Bei diesem in einem Höchstmaß medial insze­nierten Spek­takel wählen die 32 Teams der National Foot­ball League College-Spieler aus, binden sie vertrag­lich an sich und statten sie aus mit Millionengehältern.
In diesem Jahr machte die Pandemie auch dieser durch­ge­stylten Show einen Strich durch die Rech­nung. Ohne physi­sche Nähe der Betei­ligten konnte der Auswahl­pro­zess ledig­lich digital unter­stützt vonstat­ten­gehen. Für den Zuschauer im Höchstmaß lang­weilig. Das kann der Branche nicht passen. –

Die derzei­tige Situa­tion in unseren Gemeinden bietet durchaus Vergleichs­punkte. Auch wenn es für uns wieder möglich ist, gemeinsam und dabei physisch nah, Gottes­dienste zu gestalten: öster­lich-feier­lich, wie wir sie kennen, sind sie nur bedingt. Dazu unter­binden die notwen­digen Sicher­heits­vor­keh­rungen zu viele unserer gewohnten Gestal­tungs­spiel­räume. Derzeit geht es aber nicht anders. –

Die heutige Lesung aus der Apos­tel­ge­schichte (Apg 13,13–25) erzählt vom reisenden Paulus. Immer wieder weist er auf die Verbin­dung zwischen Johannes dem Täufer und Jesus hin, auch jetzt in Antio­chia: „Aus seinem Geschlecht hat Gott dem Volk Israel, der Verhei­ßung gemäß, Jesus als Retter geschickt. Vor dessen Auftreten hat Johannes dem ganzen Volk Israel Umkehr und Taufe verkün­digt.“ (13,23f.)
Im Herbst 2018 durfte ich mit einer Gruppe aus unserem Pasto­ral­ver­bund durch Israel reisen. Wir besuchten auch die Wirkungs­stätte des Täufers. In Sachen Tauf­stelle Jesu berufen sich mehrere Orte (und seit geraumer Zeit auch ausge­feilte Geschäfts­mo­delle) auf ihre „Authen­ti­zität“. Deshalb haben wir – gut katho­lisch – den seit früh­christ­li­cher Tradi­tion verehrten Ort aufge­sucht. Spek­ta­kulär ist der nicht, außer mit Blick auf die Nach­bar­schaft an dieser Grenze. Jenseits des schmalen Jordan-Ufers stehen bewaff­nete jorda­ni­sche Soldaten, keine zehn Meter entfernt. Die kleine Feier unserer Tauf­er­neue­rung war dennoch (oder umso deut­li­cher) besonders.

Alle Mit-Pilge­rinnen und –pilger empfingen dieses grund­le­gende Sakra­ment als Babys. Damit begann ihr Eintreten in die Glau­bens­ge­mein­schaft der Christen. Und auch wenn sie sich heute, je persön­lich, mehr oder weniger nah zuge­hörig fühlen: dieser Augen­blick am stin­kenden Rinnsal Jordan bewegte. –

Die Taufe ist Real­symbol für die beson­dere, unauf­lös­bare Gemein­schaft des Getauften mit Jesus Christus. Er ist der Retter. Durch ihn hat die Erbsünde jegliche Macht über den Täuf­ling verloren. Das Sakra­ment der Taufe ist die erste Wegmarke auf dem Weg der unüber­biet­baren Gemein­schaft in der blei­benden, barm­her­zigen und liebenden Nähe Gottes.

Dieses theo­lo­gi­sche Konzept hat lange Erkennt­nis­pro­zesse hinter sich. Genau wie die verwen­dete Fach­sprache. Diskus­sionen und Ausein­an­der­set­zungen durch die Jahr­hun­derte bilden den Hintergrund.

Über­set­zungs­ar­beit in unsere Lebens­wirk­lich­keit und den Gemein­de­alltag ist auch hier das A und O. Sie gut und anspre­chend zu gestalten, kann heraus­for­dernd sein. Und lohnend, weil sich Verständ­nis­tiefe erfahren lässt.

Damit bleiben wir sämt­li­chen Auswahl­pro­zessen aus der Welt des Sports (bzw. der Wirt­schaft) über­legen. Mindes­tens in einem. Auch wir wurden ausge­wählt! Deshalb empfingen wir die Taufe. Und der eine oder die andere wird bedauern, dabei nicht ebenso mit höchst auskömm­li­chen Geld­summen ausge­stattet worden zu sein. Doch gegen­über dem noch so lukra­tivsten „Draft“ ist eines klar: unser „Vertrag“ beschränkt sich nicht auf Jahre. Von Gott her ist er unkündbar.

Martin Neuhaus

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