Gedanken zum Tag – 9. Mai 2020, Samstag der vierten Osterwoche

9. Mai 2020

Locke­rungen, zurück in die Norma­lität, mehr Frei­heit, Coro­na­re­geln, Hygie­ne­be­stim­mungen, Abstand wahren – das sind einige Worte, die unsere Diskus­sionen in den Medien und auf der Straße bestimmen. Aber was ist normal?

Die Viert­klässler freuen sich, wieder in die Schule gehen zu dürfen und empfinden: Es ist schön, die Freunde wieder sehen zu dürfen, aber ich möchte sie auch umarmen und so spielen dürfen wie vorher.

Kinder freuen sich, wieder auf dem Spiel­platz zu spielen, aber mit Abstand? Irgendwie komisch.

Zwei Fami­lien dürfen sich wieder treffen – aber unser Bekann­ten­kreis ist viel größer und norma­ler­weise würden wir uns in viel größeren Gruppen treffen.

In dem Wort „normal“ steckt das Wort „norm“. Jede Gruppe, ob Familie, Vereine, Gruppen in Bildungs­ein­rich­tungen, Freun­des­kreise, Kirche, haben ihre Normen, Regeln, mehr oder weniger schrift­lich fixiert.

Ich habe den Eindruck, wir erfinden unser Mitein­ander gerade mal wieder neu, und das auf allen Ebenen. Leben lernen mit Corona, heißt es da.

Auch die Jünger Jesu, seine Freunde, mussten ihr Leben mitein­ander neu erfinden nach dem Tod Jesu. Das Buch der Apos­tel­ge­schichte erzählt uns, wie Kirche entstand. Immer noch fragen sie Jesus: „Stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“ (Apg 1,6)

Jesus beant­wortet diese Frage nicht, sondern verspricht ihnen, „ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herab­kommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein bis an die Grenzen der Erde.“ (Apg 1,8)

Ich glaube nicht, dass die Jünger diese Antwort damals verstanden haben. Und was machen sie: Sie kommen in ihren Häusern zusammen und beten und warten, viel­leicht ein wenig ratlos. Sie mussten Leben lernen ohne Jesus leib­haftig bei sich zu haben.

Irgend­wann finden sie die Kraft, von Jesus und seinen Taten zu erzählen. Sie werden diese Kraft deuten als die Erfah­rung des hl. Geistes, den Jesus ihnen verspro­chen hat. Menschen glauben ihnen und schließen sich dieser Gemein­schaft an, die an Jesus glauben. Sie wurden von anderen als die Anhänger des neuen Weges bezeichnet.

Viel­leicht stehen wir in den Gemeinden und in der Kirche in einer ähnli­chen Situa­tion. Wir fragen immer noch: Wofür bist du da, Kirche von Olpe? Was ist wichtig in den Gemeinden? Wie können Kinder, Erwach­sene, Senioren ihren Glauben leben? Viel­leicht sind wir auch ein wenig ratlos.

Viel­leicht müssen wir in der Kirche lernen, die Kraft der Gemein­schaft und des Gebetes neu zu entde­cken, ohne uns auf orga­ni­sa­to­ri­sche Klimm­züge zu konzen­trieren, wie wir Eucha­ristie feiern können, wie wir Kinder­got­tes­dienste mit Abstand feiern können oder wollen. Viel­leicht müssen wir wie die Jünger Jesu damals unser Mitein­ander als Kirche mal wieder neu erfinden, wie so oft in der jahr­tau­send­alten Geschichte der Kirche. Viel­leicht brau­chen wir ein wenig Mut, neue Wege einfach zu leben, ohne auf die Haupt­amt­li­chen in der Kirche zu schauen, was sie uns viel­leicht anbieten in dieser Zeit. Denn Kirche lebt dort, wo zwei oder drei, Kinder, Erwach­sene, Senioren, zusam­men­kommen im Namen Jesu.

Sr. Gertrudis Lüneborg

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