Gedanken zum Tag — 30. Juni 2021, Mitt­woch der 13. Woche im Jahreskreis

30. Juni 2021

Liebe Lese­rinnen und Leser,

Pilgern ist etwas, dass im Mittel­alter zwar einer fast ausschließ­lich geho­benen und betuchten Klasse vorbe­halten war, jedoch war es damals Gang und gäbe, zu den heiligen Stätten der Chris­ten­heit zu reisen. Und die Motive, warum Menschen sich auf den Weg machten, waren ganz ähnliche wie die der Menschen in der heutigen Zeit.

Der tief verwur­zelte Glaube und das Vertrauen auf Gott waren ihre Haupt­an­triebs­feder verbunden mit den verschie­densten Erwar­tungen. Dazu gehört zum Beispiel die Hoff­nung auf Verge­bung von einer beson­deren Schuld, die Befreiung von Sorgen und Nöten im Alltag, die Erlö­sung von schweren Krank­heiten, Hilfe in aussichts­losen Lebens­lagen oder auch die Bitte um eine gute Ernte und derglei­chen mehr und schließ­lich auch der demü­tige Dank an Gott, für das Gute, dass er uns getan hat. Der Dank für gesunde Kinder und einen liebens­werten Lebens­partner, das Danke­schön für unsere eigene Gesund­heit und unser Lebens­glück und vieles, vieles mehr.

Das hört sich natür­lich alles ganz nett an, aber man könnte sich auch fragen, ob es die Stra­pazen und Mühen, die Menschen dabei auf sich nehmen auch wert sind. Man könnte fragen, ob das ganze Bitten und Betteln, das Danken, das Beten und Singen über­haupt etwas bringen, ob dem Pilger tatsäch­lich Hilfe wider­fährt oder ob sein Dank ange­nommen wird?

Morgen machen sich zum 262. Mal eine Corona bedingt sehr kleine Gruppe Olper Wall­fahrer auf den Weg, um zur Mutter Gottes nach Werl zu pilgern. Sie alle verbindet dabei die oben genannten Beweg­gründe. Sie beten für sich selbst, für ihre Fami­lien, für Alte und Kranke, für Hungernde und für die Menschen in den Krisen­ge­bieten dieser Welt, für Gleich­be­rech­ti­gung und Tole­ranz, für Frieden und Frei­heit und bestimmt auch für eine bessere und gerech­tere Welt. So entsteht ein ganz intimer und persön­li­cher Dialog mit Gott und der Mutter Gottes, und mit zuneh­mender Dauer scheint sich die Distanz zu Gott, welche wir im Alltag schon fast auto­ma­tisch aufbauen, zu verkürzen, bis sie schließ­lich fast gänz­lich abge­baut ist.

Man lässt Gott buch­stäb­lich ganz nah an sich ran, man lässt ihn einkehren unter sein Dach, ohne Barrieren, ohne Hinder­nisse und dann beginnt Gott tatsäch­lich in uns zu wirken. So würde ich meine persön­li­chen Erfah­rungen mit der Wall­fahrt beschreiben und auf die vorhin gestellte Frage, ob es über­haupt etwas bringt, möchte ich mit einem klaren „Ja“ antworten.

Zu Pilgern befreit den Geist und unsere Seele von über­flüs­sigem Ballast, es schafft eine wunder­bare Klar­heit und Frische, so wie nach einem Gewitter. Es vermit­telt ein groß­ar­tiges Gemein­schafts­ge­fühl, unge­fähr so wie bei den Drei Muske­tieren: „Einer für Alle, Alle für Einen“.

Und „on the top“ gibt die Wall­fahrt zur Mutter Gottes nach Werl eine tiefe, emotio­nale Glau­bens­ge­wiss­heit, dass Gott immer bei uns ist und uns nicht allein lässt. Egal was kommt und egal wie schlimm es auch sein mag. Es gibt die Gewiss­heit, dass die Mutter des Herrn, die Trös­terin der Betrübten eine starke Fürspre­cherin für uns bei Gott ist. Sie nimmt sich unserer Sorgen und Nöte an. Das hat jeder schon erlebt, der einmal mitge­gangen ist.

Versu­chen Sie es doch in diesem Jahr auch einmal. Leider hier an dieser Stelle zwar nur virtuell, aber trotzdem ganz nah dabei. Und im kommenden Jahr dann viel­leicht — so Corona es zulässt — ganz real, mit Ruck­sack und Wander­schuhen, mit Rosen­kranz und Pilger­buch, denn Pilgern ist „Well­ness für die Seele“.

Ihr
Georg Scheiwe
(Wall­fahrts­leiter)

Leser interessierten sich auch für:

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner