Vorräte für den Winter
In den Tagen zwischen den Jahren habe ich die Autobiografie von Leo Lionni gelesen.
Eine der vielen schönen Geschichten von Leo Lionni ist die von „Frederick“. Der lebt mit seiner Feldmäusefamilie an einer alten Steinmauer nahe bei einem Kornspeicher. Aber irgendwann zogen die Bauern weg und der Kornspeicher war leer. Und so mussten die kleinen Mäuse Tag und Nacht sammeln und suchen, damit sie Körner, Nüsse, Weizen und Stroh zusammensammeln und für den Winter einlagern konnten. Außer Frederick. Auf die Anfrage der anderen Mäuse gab er zu bedenken: Ich sammle Sonnenstrahlen für die kalten dunklen Wintertage, ich sammle Farben, denn der Winter ist grau, ich sammle Wörter, denn im langen Winter haben wir irgendwann nichts mehr, worüber wir sprechen können.
Und so kommt es. Als der Winter lang und kalt wird, erzählt er von Sonne und Wärme, blauem Himmel und bunten Blumen, dichtet fröhliche Gesänge und hilft seiner Familie, die dunkle, kalte, graue und hungrige Zeit gut zu überstehen.
Role Kalkbrenner hat daraus ein wunderschönes Lied getextet, das so beginnt:
„Ich sammle Farben für den Winter und mal sie auf ein Blatt Papier. Und wird die Welt eines Tages grau und leer, dann schenk ich meine Farben her. Ich sammle Licht für alle Blinden, die die Schönheit dieser Welt schon nicht mehr sehn. Die gerade Wege gehn, ohne sich mal umzudrehn, die immer nur im Schatten stehn.“
Ich finde diese Geschichte und den Songtext sehr passend für uns Glaubende heute. In den, im Moment, nicht so leichten Zeiten weltweit und auch in unserem Land braucht es Menschen, die innere Vorräte angesammelt haben.
- Vorräte an guten Ideen
- Vorräte an guten Worten des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung
- Vorräte an Geschichten des Volkes Gottes, die immer weitererzählt werden und die nie an Aktualität verlieren
- Vorräte an Liedern und Gebeten, die Herz und Seele guttun, ganz gegen die scheinbare Übermacht der Fakten und der Fakenews
- Vorräte der Zuversicht, weil wir ahnen und glauben, dass es einen guten Gott gibt, der uns in unserem Leben nicht allein lässt und unsere auch schwierigen Wege mitgeht.
Und dann braucht es Menschen, die diese Vorräte, die sie in sich tragen, bereitwillig teilen und mit vollem Herzen und vollen Händen austeilen und nicht in Sekunden zählen, wie lange dieses Austeilen, dieses Segnen dauern darf. Danke Frederick für diesen guten Tipp.
Sr. Katharina Hartleib
(Konvent San Damiano Olpe)
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