Von einer lieben Kollegin habe ich folgenden Text erhalten:
Das rosa Tütchen
Als ich eines Tages traurig durch den Park schlenderte und mich auf einer Parkbank niederließ, um über alles nachzudenken, was in meinem Leben schief läuft, setzte sich ein fröhliches kleines Mädchen zu mir.
Sie spürte meine Stimmung und fragte: „Warum bist du so traurig?“
„Ach“, sagte ich, „ich habe keine Freude im Leben. Alle sind gegen mich. Alles läuft schief. Ich habe kein Glück und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“
„Hmmm“, meinte das Mädchen, „wo hast du denn dein rosa Tütchen? Zeig es mir mal. Ich möchte da mal hineinschauen.“
„Was für ein rosa Tütchen?“, fragte ich sie verwundert. „Ich habe nur ein schwarzes Tütchen.“
Wortlos reichte ich es ihr.
Vorsichtig öffnete sie mit ihren zarten kleinen Fingern den Verschluss und sah in mein schwarzes Tütchen hinein. Ich bemerkte, wie sie erschrak.
„Es ist ja voller Alpträume, voller Unglück und voller schlimmer Erlebnisse!“
„Was soll ich machen? Es ist eben so. Daran kann ich doch nichts ändern.“
„Hier nimm,“ meinte das Mädchen und reichte mir ein rosa Tütchen. „Sieh hinein!“
Mit etwas zitternden Händen öffnete ich das rosa Tütchen und konnte sehen, dass es voll war mit Erinnerungen an schöne Momente des Lebens. Und das, obwohl das Mädchen noch jung an Menschenjahren war.
„Wo ist dein schwarzes Tütchen?“, fragte ich neugierig.
„Das werfe ich jede Woche in den Müll und kümmere mich nicht weiter darum“, sagte sie.
„Für mich ist es wichtig, mein rosa Tütchen im Laufe des Lebens voll zu bekommen. Da stopfe ich so viel wie möglich hinein. Und immer, wenn ich Lust dazu habe oder ich beginne traurig zu werden, dann öffne ich mein rosa Tütchen und schaue hinein. Dann geht es mir sofort besser.“
Noch während ich verwundert über ihre Worte nachdachte, gab sie mir einen Kuss auf die Wange und war verschwunden.
Neben mir auf der Bank lag ein rosa Tütchen. Ich öffnete es zaghaft und warf einen Blick hinein. Es war fast leer, bis auf einen kleinen zärtlichen Kuss, den ich von einem kleinen Mädchen auf einer Parkbank erhalten hatte.
Bei dem Gedanken daran musste ich schmunzeln und mir wurde warm ums Herz.
Glücklich machte ich mich auf den Heimweg, nicht vergessend, am nächsten Papierkorb mich meines schwarzen Tütchens zu entledigen.
Und so habe ich heute begonnen, mein rosa Tütchen zu befüllen. Ich habe einen langen Spaziergang mit meiner Freundin und unserem Hund gemacht. Maddox freut sich immer so sehr, wenn er raus in die Natur kommt. Und so ist es bei mir auch; früh morgens genieße ich den stillen See und höre nur ein paar Gänse schnattern und Vögel zwitschern. Aber auch die Autos und LKW höre ich, die über die Hauptstraße fahren. Sie stören aber nicht, sie gehören auch dazu. Heute bin ich besonders froh, mir die Zeit genommen zu haben, mit meiner Freundin zu gehen. Ich bin dankbar für die Gespräche mit ihr und dass sie einfach da ist. Dies habe ich in mein rosa Tütchen gelegt und dabei sah ich, dass es bereits mit vielen schönen Dingen gefüllt ist. Der Barfußgang durch den Wald mit meiner jüngsten Tochter vor ein paar Tagen, das Telefonat mit einer guten Freundin, die weit entfernt wohnt, der wunderschöne Blumenstrauß meines Mannes – einfach mal so -, der Moment beim Brautkleidkaufen der großen Tochter, als sie IHR Kleid gefunden hatte, meine Dankbarkeit für die kleinen Dinge des Lebens und für alle lieben Menschen an meiner Seite und die, die über uns wachen.
Danke, liebe Anja, für die wunderschöne Geschichte.
Ich wünsche allen ein stets volles rosa Tütchen…!
Dorothee Zeppenfeld