Bei Spaziergängen und Wanderungen durch unsere inzwischen leider borkenkäfergeschädigten sauerländer Wälder treffen wir immer wieder auf sie: Kapellen, Bildstöcke, Wegekreuze, d.h. Zeugnisse tiefen christlichen Glaubens und – wie ich finde – auch großen Gottvertrauens der Ersteller dieser Bauwerke.
Als Dank für seine gesunde Heimkehr aus dem ersten Weltkrieg errichtete 1918 der aus Günsen stammende Franz Becker ein Heiligenhäuschen oberhalb seines Heimatortes zwischen den Ortschaften Dahl-Friedrichsthal und Günsen. Ursprünglich zeigte der Bildstock ein Holzbild der Mutter Gottes. In den 60er Jahren wurde dieses Bild bei einer Renovierung des Häuschens durch ein Mosaik der Gottesmutter ersetzt, das dort auch heute noch vorhanden ist. Das Madonna-Mosaik hat sogar die vollständige Zerstörung des Muttergotteshäuschens durch den Orkan Kyrill im Januar 2007 unbeschädigt überstanden.
Ebenfalls als Danksagung für Ihre unversehrte Rückkehr aus diesem schrecklichen Krieg erbauten Wilhelm und Heinrich Bieker aus dem heute überstauten Biggetal einen Marienbildstock zu Ehren der Mutter Gottes am Sonderner Kopf. Dieses Bauwerk überstand auch die Abbrucharbeiten der Biggetalsperre. Der mit dem Abriss beauftragte Baggerfahrer weigerte sich nämlich schlicht und einfach, dieses Heiligenhäuschen abzureißen. Beim Einstau der Biggetalsperre stellte man dann fest, dass das Wasser selbst bei Vollstau der Sperre nur bis an den Sockel des Häuschens reichte und es nicht im neuen See versank. So wurde es zum einzigen Bauwerk, das aus dem alten Tal noch erhalten blieb.
Oberhalb des Ortes Saßmicke, an der Weggabelung nach Hillmicke, Brachtpe und Gerlingen, errichtete Alois Häner aus Fohrt gemeinsam mit seinem Vater August aus Dankbarkeit für seine Rückkehr aus dem zweiten Weltkrieg das sogenannte „weiße Kreuz“. Dieser Platz, versehen mit einer Sitzmöglichkeit, lädt zum Innehalten und Verweilen ein. Einen guten Kilometer weiter auf dem Weg nach Gerlingen errichteten Überlebende des zweiten Weltkriegs einen Bildstock, der der Mutter Gottes gewidmet wurde. Auf einer Tafel unterhalb der Marienfigur befindet sich die Inschrift „Zum Gedenken an Stalingrad“.
Der Dahler Josef Kappestein errichtete 1956 zwischen der Dahler Höhe und der Ortschaft Elben das „Dahler Glöckchen“. Der an einer großen Fichte befestigte Holzbildstock trug die Aufschrift „Heiliger Josef – Bitte für uns“. Daneben befand sich ein aufgestauter Teich mit Wasserrad und einem Glöckchen, dessen Geläut schon von weitem zu hören war. Leider musste dieser sich mitten im Wald befindliche Ort der Ruhe und Einkehr vor einigen Jahren dem Weiterbau der A4 weichen.
Die Aufzählung dieser Glaubensorte sind nur einige wenige Beispiele, die vom Glauben unserer Vorfahren zeugen. Sie lassen sich um eine Vielzahl anderer Bildstöcke, Kapellen, kurzum um Zeugnisse tiefer Verwurzelung früherer Menschen in unserem christlichen Glauben erweitern. Sie finden sich auch nicht nur bei uns im Sauerland, sondern sie wurden auch an vielzähligen anderen Stellen und Orten errichtet.
Die Errichtung dieser Glaubensorte ist oftmals mit einer Geschichte verbunden, ähnlich wie diejenigen, über die ich berichtet habe. Vielen Erbauern dieser Bauwerke war gemein, dass sie sich in einer Notlage befanden. Zum Teil getrennt von ihren Familien, weit ab von ihrer Heimat, hatten diese Menschen trotz ihrer Sorgen, Ängste und Nöte ein so tiefes Gottvertrauen, dass sie mit seiner Hilfe ihre – teilweise lebensbedrohliche Notlage — unversehrt überstehen konnten. Ihr Gottvertrauen war sogar so groß, dass sie sich entschlossen, dieses Vertrauen und ihre Dankbarkeit für Gottes Hilfe in Form von Bildstöcken, Wegekreuzen etc. zu bezeugen.
Was hat das Vertrauen unserer Vorfahren auf Gott aber alles heute noch mit uns zu tun? Inmitten unserer schnelllebigen und ach so aufgeklärten Welt, vor den Sorgen unseres Alltags, derzeit geprägt von Klima- und Coronakrise, zwischen beruflichen und mitunter noch größerem Freizeitstress? Können wir unsere täglichen Alltagssorgen und Probleme einfach im Vertrauen auf Gott zur Seite schieben? Können wir ihm die Verantwortung für unser Leben übertragen? Ist für uns keine Verantwortung, keine Initiative und kein selbstständiges Handeln mehr erforderlich? Wird der „liebe Gott“ schon alles für uns richten? Wohl kaum. Ein solches Verständnis von Religion, Gebet und Flehen um Gottes Hilfe könnte wohl getrost als Aberglaube oder ähnliches bezeichnet werden.
Aber lohnt es sich nicht, darüber nachzudenken, dass Gott doch ganz offensichtlich die Gebete seiner Gläubigen erhören kann? Kann uns dieses Wissen nicht dabei unterstützen, unsere heutigen Probleme und Krisen auch zu überstehen? Verleiht uns dieses Wissen nicht ein Stück Gelassenheit und kann es nicht Stärke und Kraft vermitteln, um ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben zu führen? Kann es nicht Trost spenden zu wissen, dass da noch jemand ist, der hilft?
Markus Schlimm
Dahl-Friedrichsthal