Mein Mann und ich stellten uns letztes Jahr häufiger die Frage, wie Weihnachten wohl wird. Räumen die fast einjährigen Zwillinge den Baum ab oder essen sie gleich die Zweige samt Nadeln auf? Glaubt der Große noch ans Christkind oder ist der Zauber dieses Jahr bereits vorbei? Im Zeitalter von allwissenden Geräten wie Alexa und Siri, teilweise unbedachten Radiomoderatoren oder aber den Gesprächen im Schulbus mit wesentlich älteren Kindern keine ganz unbegründete Fragestellung.
Sicher auch ein Thema, mit dem sich jedes Jahr Eltern weltweit beschäftigen. So weiß man doch eins: Glauben die Kinder nicht mehr ans Christkind, ändert sich die (Vor-) Weihnachtszeit und büßt, zumindest für mich persönlich, an Wunder ein. Der Wunschzettel ist eines Nachts nicht mehr „verschwunden“, die familiäre Heiligabend- Tradition und das Warten aufs Christkind ist somit eigentlich hinfällig und überhaupt ist die Zeit für die Kinder – und ehrlich gesagt auch für mich als Elternteil — bis zum Weihnachtsfest gar nicht mehr so spannend.
Als Heiligabend langsam näher rückte, kam es dann so, wie es kommen musste: Beim Abendessen schaute mich mein Sohn plötzlich ernst an und fragte mich, völlig aus dem Kontext gerissen, ob es das Christkind gäbe und es wirklich die Geschenke unter den Weihnachtsbaum legen würde. „Glaubst du denn, dass es das Christkind gibt?“, stellte ich meine Gegenfrage. Ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, bejahte er die Frage und hakte das Thema damit ab.
Richtig reagiert – scheinbar war es also noch nicht der richtige Zeitpunkt gewesen, das Geheimnis zu lüften und den Brauch um die Figur des Christkindes zu erläutern.
Glück gehabt – so konnten wir unsere ganz persönlichen Weihnachtstraditionen beibehalten und mussten nichts an neue Gegebenheiten anpassen, was mir offen gestanden auch schwergefallen wäre. Mein Sohn vertraute also ebenfalls darauf, Weihnachten so zu feiern, wie wir es die letzten Jahre kannten.
Für uns Christen stellen „Glaube“ und „Tradition“ natürlich keine abstrakten Begriffe dar. Oft stehen sie sogar unmittelbar miteinander in Berührung. Und wenn ich über unsere kleinen „Familientraditionen“ nachdenke, so häufen sich diese vor allem an hohen christlichen Feiertagen, wie beispielsweise Weihnachten, welche wir aufgrund unseres Glaubens feiern. Dazu gehören auch völlig banale Dinge: So kann ich mich noch gut an die Stimme meiner Mutter erinnern, wenn sie den Sonnenuntergang im Winter häufig mit der Aussage „Schaut mal, die Engelchen backen Plätzchen!“ kommentierte. Mitunter ertappe nicht nur ich mich selbst, sondern auch schon meinen Sohn dabei, diesen Satz auszurufen, wenn der Himmel rot leuchtet.
Doch auch viel wichtigere, umfangreichere Traditionen wurden mir als Kind an die Hand gegeben, die ich nun an meine Kinder herantragen möchte. Das wurde mir besonders bewusst, als unser Sohn sich dieses Jahr zum ersten Mal als Sternsinger engagierte und ich ihm zuvor davon erzählen konnte, dass ich damals auch als verkleideter König durch unser Heimatdorf zog und den Segen in die Häuser brachte. Ganz abgesehen davon, dass er somit eine großartige und enorm wichtige Aktion unterstützt, ist es nicht nur für mich schön, sondern auch für meinen Sohn, der so irgendwie in meine Fußstapfen tritt und mir vertraut, ihm den richtigen Weg zu zeigen.
Da passt es doch ganz gut, dass das Wort „Glauben“ aus dem Mittelhochdeutschen abgeleitet wurde, wonach es ursprünglich etwa so viel hieß wie „gutheißen“ und „sich vertraut machen“. Somit zielt es also genau auf Vertrauen und Treue. Und exakt diese Worte machen schließlich auch unseren christlichen Glauben aus. Wenn wir sagen, wir glauben an Gott, meinen wir, dass wir unsere Hoffnung vertrauensvoll auf Gott setzen; und nicht, dass wir seine Existenz lediglich zur Kenntnis nehmen.
Schöne Traditionen und Glaube geben mir Halt. Darum ist es mir auch wichtig, diese weiter fortzuführen und meinen Kindern nahezubringen. Besonders in schweren Zeiten, in denen wir uns mit Krieg und Elend nicht weit weg von uns konfrontiert sehen, in denen schlechte Nachrichten das Tagesgeschehen dominieren und Schnelllebigkeit sowie damit einhergehende Unbeständigkeit uns die Pausen vergönnen, stellen Tradition und Glaube eine Insel der Zuversicht dar.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Traditionen, die Sie an schöne Augenblicke erinnern lassen und einen Glauben, der Ihnen Hoffnung schenkt.
Hanna Reuber
(Gemeindemitglied aus Drolshagen-Husten)