Liebe Leserinnen und Leser,
das große G fällt sofort ins Auge. Es bestimmt das Erscheinungsbild der gesamten Schirmmütze. Mitte März habe ich die Kappe auf den Bürocontainer neben meinen Schreibtisch gelegt. Da waren alle öffentlichen Gottesdienste soeben zeitweise untersagt worden und das Abstandsgebot wurde dringlicher.
Die Basecap mit ihrem großen G erinnert mich an frohe Stunden in Gemeinschaft, auf Ausflügen, beim Grillen, vorm Fernseher, im Stadion. Sie lässt mich bewegende Emotionen erinnernd erleben. Nicht unwichtig jetzt. Zumal wir ja auch unsere Schützenkappen am dritten Juli-Wochenende zwar nach Belieben auf- und absetzen konnten – aber fern des Ümmerichs bleiben mussten. – G wie großartiges Geschenk.
Verbundenheit wird spürbar. Da sind Menschen, die mir viel bedeuten. Von denen ich regelmäßig wissen will, wie´s ihnen geht, was sie gerade tun, wie sie sich nach wie vor tagtäglich durch die Herausforderungen der Pandemie schlagen. G wie Gemeinschaft und Großzügigkeit.
Niemand kann vorhersehen, wann mit dem Ende der „neuen Normalität“ gerechnet werden kann und eine gute, unbeschwertere Form von (neuem) Alltag möglich sein wird. Deshalb brauchen wir Vertrauens- und Hoffnungsanker. Augenblicke, die uns Mut geben. G wie gelassene Zuversicht, G wie getragen sein, G wie glauben.
Dabei ist die Kappe mit dem großen G nicht ohne Tücken. Signalisiert sie doch die Sympathie für das amerikanische Unternehmen „Green Bay Packers“, Unterhaltungsindustrie, Profi-Sport. Umsatz- und Profitorientierung. Ökonomische Selbstverständlichkeit.
Sympathien, „Fan sein“, sind nicht ohne. Zwiespältigkeiten kennen wir, haben wir auszuhalten. Umso mehr, da jetzt der jeweilige (Bundes-)Ligabetrieb wieder angelaufen ist.
Mag das große G auf schwarzem Untergrund also auch beileibe keinen so zweifelsfreien Leumund haben wie ein blütenweißes Taufkleid: ich nehme es mehrmals am Tag in den Blick.
Und dabei kann sich so etwas Befreiendes wie Lebendigkeit in mir bemerkbar machen.
Dann können da ein Vertrauen und ein Hoffen sein. G wie Geduld.
Jeder oder jede von uns wird in der unmittelbaren Wohnumgebung auf mindestens einem Gegenstand sein oder ihr großes G sehen. Zumindest das weiß ich sicher.
Hilfe zum Aufrichten, jeden Tag neu. Kraft schöpfen und weitergehen. G wie Garantie des Gelingens.
Green Bay liegt im Osten des US-Bundesstaates Wisconsin. Auch hier leiden die Menschen unter der Pandemie. Und sie leiden unter rassistisch motivierter Gewalt und gewalttätigen Auseinandersetzungen. Das dringt – medial vermittelt – derzeit auch zu uns, ist aber vor Ort leider (mindestens) jahrzehntelange Alltagserfahrung. –
In der Heimatregion der „Packers“ behaupten wohl die allermeisten Fans, das G stehe für „God‘s Great Grace“ – „Gottes großartige Gnade“. Selbstverständlich bezogen aufs Team.
Aber das muss ich bei aller Sympathie dann doch entschieden zurückweisen.
Zumindest immer dann, wenn ich nicht gerade eines ihrer Spiel anschaue.
Ihnen einen guten weiteren Start in den Herbst und in die neue Ligasaison!
Martin Neuhaus