Manchmal sind es gerade Krisen oder unerwartete Ereignisse, die Umdenken, Veränderung oder Aufbruch auslösen. So geschehen an Pfingsten 1897. An jenem Pfingstmontag sagte die gebuchte Blaskapelle für die Pfingstprozession kurzfristig ihre Teilnahme ab und die Pfingstprozession musste ohne musikalische Begleitung stattfinden. Dies war für die Pfarrgemeinde naturgemäß eine große Enttäuschung und bei manchem regte sich der Gedanke, ob es nicht möglich wäre, eine eigene Kapelle zu gründen. Die erste Anregung dazu machte der damalige Pfarrer Heuel. Ihm schlossen sich schnell Lehrer Heinemann sowie Heinrich Becker aus Altenkleusheim und Josef Müller aus Neuenkleusheim an. Schließlich gründete man im Jahre 1898 den Musikverein Neuenkleusheim. Pfarrer Heuel lag das Thema derart am Herzen, dass er einen Vorschuss auf die Anschaffung der ersten Instrumente gab.
Schnell kamen weitere Mitglieder aus Altenkleusheim, Neuenkleusheim und Rehringhausen hinzu. Unter der musikalischen Anleitung von Josef Müller erlernten alsbald die ersten zehn Musiker ihre Instrumente. Die Motivation und der Wille dieser Pioniere war bemerkenswert, denn nach nur einem Jahr des Erlernens der Instrumente und gemeinsamer Proben konnte der Musikverein am Pfingstmontag 1899 zum ersten Mal die Pfingstprozession begleiten! Die Begeisterung in der Gemeinde war riesengroß und Pfarrer Heuel war nun sicher, dass er sein Geld in ein sicheres Unterfangen gesetzt hatte. Seit diesem Tag fühlen wir Neuenkleusheimer Musiker uns diesem Fest in besonderer Weise verpflichtet und haben seitdem alljährlich das Pfingstfest und die Pfingstprozession in den Kleusheimer Dörfern musikalisch umrahmt.
122 Jahre später, an Pfingsten 2021, müssen wir mit Bedauern akzeptieren, dass das diesjährige Pfingstfest nach 2020 wieder ohne Prozession und nun auch erstmals ohne musikalische Begleitung durch den Musikverein Neuenkleusheim ablaufen muss. Konnte im letzten Jahr noch die Pfingstmesse feierlich und musikalisch umrahmt unter freiem Himmel abgehalten werden, lässt die dritte Welle der Corona-Pandemie und die noch hohen Inzidenzwerte weder Probenbetrieb noch die musikalische Gestaltung einer Messfeier zu.
Wir stehen in dieser Situation nicht allein da. Auch unsere befreundeten Musikvereine aus dem Stadtgebiet trifft die Zeit ohne das geliebte Hobby und die Gemeinschaft in den Vereinen hart. Aber es ist Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. In meinem letzten Impuls hatte ich von der Hoffnung in die Wirksamkeit der Impfung gesprochen. Diese macht nun große Fortschritte und wird uns Schritt für Schritt näher an ein Leben in gewohnten Bahnen führen.
Ach ja, ich sprach Anfangs von Umdenken, Veränderung oder Aufbruch in Zeiten der Krise. Ich würde es ergänzen um Bewusstsein, Hoffnung und Dankbarkeit. Um das Bewusstsein, wie wertvoll und wichtig die scheinbaren Selbstverständlichkeiten unseres traditionellen Pfingstfestes für uns immer waren und die Hoffnung und Dankbarkeit, wenn wir es im kommenden Jahr wieder bewusst und gemeinsam feiern können.
Das gibt mir auch den Optimismus, nach 2023 zu schauen, dem 125-jährigen Jubiläumsjahr des Musikvereins Neuenkleusheim, in dem wir dann zum 122. Mal die Pfingstprozession spielen werden.
Es grüßt Sie optimistisch
Ihr Dr. Michael Heite
(Vorsitzender des Musikvereins Neuenkleusheim)