Gedanken zum Tag – 15. Oktober 2023 – 28. Sonntag im Jahreskreis

15. Okt 2023

“Mama, jetzt atme doch mal!” — stimmt, da war ja was!

Im Alltag gehen einige Dinge schonmal unter vor lauter Terminen und Zeit­fens­tern, die einge­halten werden und vor Erle­di­gungen (Kühl­schrank befüllen, Garten richten usw.), die gemacht werden müssen. In dem “Müssen” sind die vielen kleinen ganz normalen Verpflich­tungen versteckt, die unseren Alltag zu einem guten Anteil mit struk­tu­rieren — ganz beson­ders, wenn Kinder da sind und die Zeiten von Kinder­garten und Schule zusätz­lich das laufende Alltagsrad speisen. Und wenn das “Müssen” mal wegfällt zu Gunsten eines “Können” oder “Wollen” widme ich mich sehr oft den Dingen, die liegen geblieben oder aufge­schoben worden sind. Die bestehen natür­lich auch aus schönen Dingen, wie ein gemein­sames Früh­stück oder ein Wald­spa­zier­gang, eine Runde Sport oder auch mal das Lesen eines Buches. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass mich einige Dinge, die mir guttun “sollen”, irgendwie doch auch eher zu Frei­zeit­stress werden. Und dass, obwohl Sport gesund ist und Endor­phine (bitte sofort) frei­setzt; obwohl ich drei Stunden frei habe für ein gemein­sames Früh­stück mit meiner Freundin, die trotzdem noch zu kurz sind — denn dann muss jede von uns zurück in ihr Hams­terrad; obwohl das Lesen mich entspannt. So sehr, dass ich meis­tens vor Müdig­keit einschlafe und die Entspan­nung gar nicht bemerke.

Plötz­lich steht da eines meiner Kinder vor mir und sagt mit einer Selbst­ver­ständ­lich­keit: “Mama, jetzt atme doch mal!”. Ach ja, das Atmen. Das tun wir doch alle, das können wir zum Glück nicht vergessen (Danke an meinen Körper, dass meine Reflexe funktionieren).

Oft atmen wir aber doch eher so, dass wir uns die mögliche Tiefe und ihren posi­tiven Effekt gar nicht bewusst machen. Wie oft halten wir den Atem an vor Anspan­nung? Wie oft atmen wir flach, weil wir in Eile sind? Und beißen dann am besten auch noch die Zähne zusammen. Daher kommen die vielen Sprich­wörter, die mit Atmung und Zähnen zu tun haben: Sich durch­beißen, die Luft anhalten, Zähne zeigen, etwas wie die Luft zum Atmen brau­chen, auf dem Zahn­fleisch gehen, sich Luft verschaffen.

Ich habe mich in dem Moment, in dem mich mein Kind an etwas so Grund­le­gendes erin­nert hat, bewusst — und das ist wichtig! — hinge­setzt und mehr­mals tief in den Bauch geatmet. Mein Körper, dem ich es schulde, dass ich mir Zeit für ihn nehme, denn er kann nur in diesem einen Moment und nicht im Gestern oder im Morgen leben, wird ruhiger. Die bewusste Atmung dros­selt auch die Akti­vität meines Geistes und nimmt mir die hitzigen hekti­schen Gedanken, dass ich etwas viel­leicht heute nicht schaffen könnte. Ich sitze also da und atme. Und mein Kind schaut mir ins Gesicht und beginnt zu grinsen: “Mama, du siehst jetzt viel fröh­li­cher aus. Sind deine Sorgen jetzt weggeatmet?”

Ob es Sorgen sind, die mich beschäf­tigen, sei mal dahin­ge­stellt, aber sicher­lich entspannen sich meine Gedanken und damit auch meine Mimik und Körper­hal­tung. Ruhe stellt sich ein und auf einmal kommt mir die Idee, dass es viel­leicht auch gar nicht so schlimm ist, wenn ich nicht alles heute schaffe. Dann schaffe ich den Rest eben zu einem anderen Zeitpunkt.

Das Atmen erin­nert uns daran, wie wichtig es ist, dass wir auf uns hören, dass wir uns Zeit nehmen — heute, jetzt. Denn wir leben nur im Jetzt. Wie wichtig es ist, einen bewussten Umgang mit uns in Worten, Gedanken und mit unserem Körper zu finden. Sich auf sich selbst zu besinnen, inne­zu­halten. Auch wenn das manchmal mehr als schwer­fällt, denn wir alle haben ihn, diesen Alltag. Dass tiefes Atmen Ressourcen mobi­li­siert, dass wir Kraft aus etwas so Einfa­chem, Selbst­ver­ständ­li­chem und Natür­li­chem schöpfen dürfen, jeder­zeit und überall, sollte uns ein wenig in Demut versetzen. Wir sind, weil wir atmen. Das ist das erste, das wir tun, wenn wir auf diese Welt kommen.

Beson­ders gut lässt es sich draußen im Sonnen­schein in diesem wunder­baren Herbst bei Blät­ter­ra­scheln und einem frischen Wind um die Nase atmen und genießen. Wir können durch das Atmen so einfach so viel Gutes für uns tun.

Anke Koch
(Gemein­de­mit­glied aus Olpe)


Wenn Sie, liebe Lese­rinnen und Leser, auch solche Gedanken über das Leben oder über irgend­etwas anderes haben, dann schreiben Sie es auf und schi­cken es uns. Wir geben ihre Gedanken gerne im Tages­im­puls an andere weiter. Sie können uns schreiben unter gedankenzumtag@gmx.de .

Leser interessierten sich auch für:

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner