Vor eineinhalb Jahren, als Begriffe wie “Lockdown”, “Inzidenzwert” oder gar “COVID 19” ihren Weg noch nicht in meinen Wortschatz gefunden hatten, führte ich bei meinen Sechstklässlern die Unterrichtsreihe „Feste, die wir feiern” durch. Kinder lernen durch dieses Unterrichtsvorhaben, dass Feste wichtig sind, um das Jahr zu strukturieren, um den Alltag vom Besonderen zu unterscheiden. Aus ihnen können wir Kraft schöpfen und wertvolle Erinnerungen kreieren und die Vorfreude hilft uns durch anstrengende Arbeitstage. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass der Titel dieses Unterrichtsvorhabens ein paar Monate später fast schon ironisch daherkommt.
Und es kommt sogar noch schlimmer: Einer der ersten Arbeitsaufträge der Unterrichtsreihe sieht vor, dass die Schülerinnen und Schüler ein Märchen mit der Überschrift „Das Land, in dem Feste verboten waren” verfassen sollen. Traurig stellen wir heute fest: Aus dem Märchen wurde Realität und aus einem Land wurde sogar die ganze Welt. Und es ist kein König, der uns das Feiern verbietet, sondern ein Virus, das unserer Gesundheit droht.
Oh, wie vermissen wir sie in ihrer gewohnten Form! Die kirchlichen Feiertage, wie die Hochfeste Weihnachten und Ostern, um sich mit der Gemeinde und der ganzen Familie an Geburt und Auferstehung zu erinnern und den Glauben mit Leben zu füllen; aber auch private Feiern, wie das „Es-kommt-wer-kommt“ an Geburtstagen, um das neue Lebensjahr einzuläuten; das jährliche Schützenfest, um Traditionen zu wahren; das bunte Straßenfest, um die gute Nachbarschaft zu festigen; feucht fröhliche Familienfeiern, um Zusammenhalt in der Verwandtschaft aufrechtzuerhalten; die spontane Pinkelparty, um das neue Leben zu begrüßen; das rauschende Hochzeitsfest, um die Liebe zu feiern… Endlos scheint die Liste an Festen, die uns so sehr fehlen!
Ein weiterer Arbeitsauftrag fordert die Schüler dann dazu auf, aufzuschreiben, was man denn alles für eine Feier benötigt. Das fällt den Kindern leicht: Gäste, einen Gastgeber, eine passende Location, gutes Essen, gute Laune, Dekoration, Einladungen, einen DJ oder eine Band, einen Fotografen… die Liste wird immer detaillierter, doch dann fällt den Schülern auf einmal auf, dass man für ein richtig gutes Fest nicht zwangsläufig all diese Dinge braucht, sondern eigentlich nur eines: einen Anlass!
Und bei all der Tristesse und Eintönigkeit, die wir gerade erleben, müssen wir doch feststellen, dass zwar Feste nicht stattfinden können, es die Anlässe aber trotzdem gibt: die Geburt und Auferstehung Jesu, den Glauben daran, das neue Lebensjahr, die Traditionen, die gute Nachbarschaft, Zusammenhalt in der Verwandtschaft, das Wunder des neuen Lebens und natürlich die Liebe! Auch wenn wir diese Gründe lange nicht mehr zum Anlass nehmen konnten, zu feiern, so sind sie doch die ganze Zeit da, mitten unter uns. Und ganz langsam dürfen wir (so denke und hoffe ich zumindest inständig) uns wieder vorfreuen! Diese Vorfreude spürt man übrigens schon in jeder Eucharistiefeier: Die Erinnerung an Leben, Tod und Auferstehung beim Brotbrechen in Gemeinschaft bietet einen Vorgeschmack darauf, wie das geliebte Feiern sich wieder anfühlen wird.
In einem meiner Lieblingssongs von Alexa Feser heißt es, dass man nur tief genug graben müsse, um das Gold von morgen zu finden. Und wenn ich mir all die fabelhaften Gründe zu feiern ansehe, kann ich es fast schon glitzern sehen.
Cornelia Blum-Hennecke
(Lehrerin für Deutsch und Katholische Religion am SGO und Mitglied des Liturgiekreises von Dahl-Friedrichsthal)