Gedanken zum Tag — 09. Juni 2021, Mitt­woch der 10. Woche im Jahreskreis

9. Juni 2021

Vor einein­halb Jahren, als Begriffe wie “Lock­down”, “Inzi­denz­wert” oder gar “COVID 19” ihren Weg noch nicht in meinen Wort­schatz gefunden hatten, führte ich bei meinen Sechst­kläss­lern die Unter­richts­reihe „Feste, die wir feiern” durch. Kinder lernen durch dieses Unter­richts­vor­haben, dass Feste wichtig sind, um das Jahr zu struk­tu­rieren, um den Alltag vom Beson­deren zu unter­scheiden. Aus ihnen können wir Kraft schöpfen und wert­volle Erin­ne­rungen kreieren und die Vorfreude hilft uns durch anstren­gende Arbeits­tage. Niemand ahnte zu diesem Zeit­punkt, dass der Titel dieses Unter­richts­vor­ha­bens ein paar Monate später fast schon ironisch daherkommt.

Und es kommt sogar noch schlimmer: Einer der ersten Arbeits­auf­träge der Unter­richts­reihe sieht vor, dass die Schü­le­rinnen und Schüler ein Märchen mit der Über­schrift „Das Land, in dem Feste verboten waren” verfassen sollen. Traurig stellen wir heute fest: Aus dem Märchen wurde Realität und aus einem Land wurde sogar die ganze Welt. Und es ist kein König, der uns das Feiern verbietet, sondern ein Virus, das unserer Gesund­heit droht.

Oh, wie vermissen wir sie in ihrer gewohnten Form! Die kirch­li­chen Feier­tage, wie die Hoch­feste Weih­nachten und Ostern, um sich mit der Gemeinde und der ganzen Familie an Geburt und Aufer­ste­hung zu erin­nern und den Glauben mit Leben zu füllen; aber auch private Feiern, wie das „Es-kommt-wer-kommt“ an Geburts­tagen, um das neue Lebens­jahr einzu­läuten; das jähr­liche Schüt­zen­fest, um Tradi­tionen zu wahren; das bunte Stra­ßen­fest, um die gute Nach­bar­schaft zu festigen; feucht fröh­liche Fami­li­en­feiern, um Zusam­men­halt in der Verwandt­schaft aufrecht­zu­er­halten; die spon­tane Pinkel­party, um das neue Leben zu begrüßen; das rauschende Hoch­zeits­fest, um die Liebe zu feiern… Endlos scheint die Liste an Festen, die uns so sehr fehlen!

Ein weiterer Arbeits­auf­trag fordert die Schüler dann dazu auf, aufzu­schreiben, was man denn alles für eine Feier benö­tigt. Das fällt den Kindern leicht: Gäste, einen Gast­geber, eine passende Loca­tion, gutes Essen, gute Laune, Deko­ra­tion, Einla­dungen, einen DJ oder eine Band, einen Foto­grafen… die Liste wird immer detail­lierter, doch dann fällt den Schü­lern auf einmal auf, dass man für ein richtig gutes Fest nicht zwangs­läufig all diese Dinge braucht, sondern eigent­lich nur eines: einen Anlass!

Und bei all der Tris­tesse und Eintö­nig­keit, die wir gerade erleben, müssen wir doch fest­stellen, dass zwar Feste nicht statt­finden können, es die Anlässe aber trotzdem gibt: die Geburt und Aufer­ste­hung Jesu, den Glauben daran, das neue Lebens­jahr, die Tradi­tionen, die gute Nach­bar­schaft, Zusam­men­halt in der Verwandt­schaft, das Wunder des neuen Lebens und natür­lich die Liebe! Auch wenn wir diese Gründe lange nicht mehr zum Anlass nehmen konnten, zu feiern, so sind sie doch die ganze Zeit da, mitten unter uns. Und ganz langsam dürfen wir (so denke und hoffe ich zumin­dest inständig) uns wieder vorfreuen! Diese Vorfreude spürt man übri­gens schon in jeder Eucha­ris­tie­feier: Die Erin­ne­rung an Leben, Tod und Aufer­ste­hung beim Brot­bre­chen in Gemein­schaft bietet einen Vorge­schmack darauf, wie das geliebte Feiern sich wieder anfühlen wird.

In einem meiner Lieb­lings­songs von Alexa Feser heißt es, dass man nur tief genug graben müsse, um das Gold von morgen zu finden. Und wenn ich mir all die fabel­haften Gründe zu feiern ansehe, kann ich es fast schon glit­zern sehen.

Cornelia Blum-Hennecke

(Lehrerin für Deutsch und Katho­li­sche Reli­gion am SGO und Mitglied des Litur­gie­kreises von Dahl-Friedrichsthal)

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