Gedanken zum Tag — 09. August 2023 — Gedenktag der hl. Edith Stein

9. Aug. 2023

Liebe Lese­rinnen und Leser!

Jeder Tag eines Kirchen­jahres ist dem Gedächtnis eines Heiligen geweiht. Was ist ein Heiliger? Ein Heiliger ist ein Ratgeber für eine sinn­volle Lebens­ge­stal­tung, ein Vorbild für den Glauben, ein Wegweiser auf meinem Weg des Suchens nach Gott.

Am heutigen 9. August ist die hl. Edith Stein (1891–1942) unsere Ratge­berin. Papst Johannes Paul II. (selbst ein Heiliger) beur­teilte ihren Lebens- und Glau­bensweg als so bedeutsam, dass er sie 1999, also ein Jahr nach ihrer Heilig­spre­chung, zur Patronin Europas erhob. Warum tat er dies? Weil sie uns in drei­fa­cher Weise ein leuch­tendes Vorbild sein kann: im Faszi­niert sein, im Lesen und im Glauben.

1. Faszi­niert sein

Faszi­na­tion ist der Motor eines jeden Lern­pro­zesses. Über­legen Sie einmal in einem kurzen Moment, was Sie in Ihrer Jugend faszi­niert hat und was Sie aufgrund dessen erreicht haben: Ihren Beruf? Eine Fremd­sprache? Ein Musik­in­stru­ment? Was faszi­niert Sie heute? Was könnten Sie also in Zukunft noch erreichen?

Die 1891 in eine jüdi­sche Familie in Breslau hinein­ge­bo­rene spätere Märty­rerin war faszi­niert von der Welt, ihrer Schön­heit und Voll­kom­men­heit. Also studierte sie Philo­so­phie – und hoffte, dadurch die in ihr bren­nende Frage „Was ist Wahr­heit?“ beant­worten zu können. Trotz (oder gerade wegen) ihres Fach­wis­sens und ihres 1916 erlangten Doktor­ti­tels war ihr schnell klar, dass sich ihre drän­gende Frage durch die Philo­so­phie allein nicht beant­worten lässt.

Ein bemer­kens­wertes Ereignis sollte schließ­lich alles ändern. Als sie nach dem Tod eines Freundes dessen Witwe trösten wollte, erlebte sie, dass diese Frau im katho­li­schen Glauben so viel Trost fand, dass sie selbst ihr, der athe­is­ti­schen Philo­so­phin, noch Trost zu geben vermochte. Edith Stein war zutiefst faszi­niert: Warum kann man ange­sichts von Leid und Tod Hoff­nung haben und Trost spenden? Der Sache musste sie auf den Grund gehen.

2. Lesen

In einer Biblio­thek stieß sie schließ­lich auf ein Buch mit dem Titel „Leben der hl. Theresa von Avila“, das sie regel­recht verschlang. Ihren Lese­pro­zess kommen­tierte Edith Stein so: „Ich begann zu lesen, war sofort gefangen und hörte nicht mehr auf bis zum Ende. Als ich das Buch schloss, sagte ich mir: „Das ist die Wahr­heit!“ Und so kam sie zu der bemer­kens­werten Fest­stel­lung: „Gott ist die Wahr­heit. Wer die Wahr­heit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.“ Welch geniale Erkenntnis! Welch prophe­ti­sches Wort!

Edith Stein hatte also durch dieses lite­ra­ri­sche Werk, durch ihre Ratge­berin, die hl. Theresa von Avila, endlich das gefunden, wonach sie lange gesucht hatte. Natür­lich war dieses Buch erst der Anfang; noch viele weitere Bücher sollten ihr zu wich­tigen Lebens­be­glei­tern werden.

Sich Glau­bens­wissen anzu­eignen, ist eines der größten Gebote der Stunde. Wir müssen unbe­dingt mehr lesen! Genau das rät uns die hl. Edith Stein. Über­legen Sie einmal in einem kurzen Moment, welches theo­lo­gi­sche Buch Sie zuletzt gelesen haben. Sollten Sie sich gerade nicht erin­nern können – macht nichts, nehmen Sie sich eins vor: Wie wäre es z. B. mit dem „Leben der hl. Theresa von Avila“? Oder mit der „Kurzen Einfüh­rung in das Chris­tentum“ von Manfred Lütz? Oder mit „Eucha­ristie. Litur­gi­sche Feier und theo­lo­gi­sche Erschlie­ßung“ von Martin Stuf­lesser? Oder „Die Bibel hat recht“ von Michael Hese­mann? Auch wenn es Ihnen „nur“ gelingt, fünf Seiten pro Tag zu lesen – dann herz­li­chen Glück­wunsch! Auch dies­be­züg­lich ist die hl. Edith Stein nämlich eine gute Ratge­berin: „Mit dir selbst hab Geduld – Gott hat sie auch.“

3. Glauben

Edith Steins Antwort auf ihre Erkennt­nisse war der Glaube. Was heißt glauben? Eine Über­set­zungs­mög­lich­keit dieses leider viel­fach miss­ver­stan­denen Wortes ergibt sich aus dem Latei­ni­schen: Glauben heißt dort credere, was durch cor dare entstanden ist und mit Herz schenken über­setzt werden kann. Genau das tat Edith Stein ganz­heit­lich: Sie ließ sich 1922 als 30-Jährige taufen und trat 1933 in den Kölner Karmel ein, wo sie den Ordens­namen „Theresa Bene­dicta a Cruce“ (Theresa, die vom Kreuz Geseg­nete) erhielt. Diese Herz­schen­kung, dieser Glaube gab ihr sogar im KZ Ausch­witz solche Kraft, dass sie ange­sichts entsetz­lichsten Grauens sagen konnte: „Jesus ist auch hier mitten unter uns.“ Welch unfass­bare Aussage!

Liebe Lese­rinnen und Leser, nehmen wir uns also die hl. Edith Stein zum Vorbild und lassen wir sie unsere Ratge­berin und Wegwei­serin sein – am besten nicht nur heute an ihrem Festtag. Ich bin mir sicher, dass wir durch Heilige wie sie neu lernen können, Gott zu suchen, ihn zu finden und ihm unser Herz zu schenken.
In diesem Sinne: Bleiben wir faszi­niert! Bleiben wir aufrechte Sucher nach der Wahr­heit und nach Gott! Seien wir belesen! Und bleiben – oder werden wir vernünftig Glaubende!

Thomas Maiworm
(Orga­nist im Pasto­ralen Raum Olpe-Kirch­spiel Drolshagen)

Leser interessierten sich auch für:

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner