Was soll uns der Volkstrauertag noch sagen? Vielleicht das: Nach den verheerenden Konflikten des Zweiten Weltkriegs ist es gelungen, Feindschaften zu überwinden. Deutschland und Frankreich, einst Todfeinde, sind heute Verbündete. Wer von uns käme heute noch auf die Idee, einen Franzosen als Feind anzusehen? Dieses Friedensprojekt Europa, das aus einer Wirtschaftsunion für Kohle und Stahl hervorging, hat uns viel gebracht – doch es geht um mehr als wirtschaftliche Interessen. Es geht um gemeinsame Werte: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit. Werte, die uns verbinden und die wir – mehr denn je – verteidigen müssen.
An unseren Ehrenmalen erinnern wir uns an die Opfer – 55 Millionen Menschen im Zweiten Weltkrieg. Doch jedes Mahnmal ist auch ein Auftrag: Einstehen für Menschlichkeit und Versöhnung.
Versöhnung ist kein einfacher Weg, doch sie ist grundlegend, im Großen wie im Kleinen. Auch in unserer Gemeinschaft, in unseren Familien, im Alltag. Eine kleine Geschichte zeigt dies:
Zwei Freunde laufen den Strand entlang und geraten in einen Streit. Der verläuft so heftig, dass einer der beiden den anderen schlägt. Am Boden liegend schreibt dieser schweigend in kleinen Buchstaben in den Sand: Mein bester Freund hat mich heute geschlagen.
Später schlendern die beiden Freunde wieder durch die Gegend. Der Tage zuvor geschlagene versinkt in tiefem Treibsand. Sein Freund rettet ihn. Der beinahe Erstickte sucht nach einem Stein, holt einen Stift hervor und schreibt in großen Lettern auf den Stein: Mein bester Freund hat mir heute das Leben gerettet. Der andere sieht ihn erstaunt an: „Ich verstehe dich nicht – letztens hast du die Worte in den Sand geschrieben. Heute auf einen Stein? Warum?“ Sein Freund antwortet: „Wenn uns jemand verletzt oder einen Fehler begeht, sollten wir es in Sand schreiben; damit der Wind der Versöhnung ihn auslöscht. Aber wenn uns jemand Gutes tut, müssen wir es in Stein meißeln; damit kein Wind der Vergessenheit ihm jemals etwas anhaben kann.“
Auch unsere Ehrenmale sind aus Stein gebaut, damit wir nicht vergessen. Gleichzeitig sind sie eine Mahnung: Versöhnung ist unser aller Auftrag. Lassen wir den Wind der Versöhnung wehen – in Europa, in unserer Stadt und unseren Dörfern, in unserem täglichen Miteinander.
Christoph Scheppe
(Gemeindemitglied aus Rehringhausen)
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