Als ich gefragt worden bin, ob ich mal wieder einmal einen Gedanken zum Tag formulieren könnte, gab es den Vorschlag, vielleicht etwas zu ukrainischen Kriegskindern in unserer Einrichtung zu schreiben. Allerdings leben im Josefshaus (früher das Kinderheim der Schwestern) im Augenblick kaum unbegleitete Minderjährige aus der Ukraine. Die Situation in der Ukraine macht uns fassungslos und verdient unsere Aufmerksamkeit und unser Engagement ohne Wenn und Aber!!!
Dennoch gibt es in Deutschland und auch im Kreis Olpe derzeit Entwicklungen, die mich ebenfalls sehr besorgt machen und die — in der schwierigen Situation im Augenblick – unterzugehen drohen.
Uns erreichen im Josefshaus wöchentlich so viele Aufnahmeanfragen, dass wir jeden Monat eine neue Gruppe eröffnen könnten. Jugendamts-Mitarbeiter und ‑Mitarbeiterinnen müssen für jede Anfrage im Durchschnitt 50 Telefonate deutschlandweit führen, um für ein Kind oder einen Jugendlichen, die vorübergehend nicht zu Hause leben können, einen Lebensort zu finden. Ob dieser dann geeignet und passend ist, ist damit noch lange nicht gesagt.
Machen wir uns einmal bewusst, dass hinter jeder Aufnahmeanfrage ein junger Mensch steht, der in seinem bisherigen Leben etwas erlebt hat, was Kinder und Jugendliche eigentlich nicht erleben sollten. Und dass gerade diese jungen Menschen ein Recht darauf haben, einen Ort zu finden, an dem sie angenommen, gemocht, geschützt und versorgt werden. Dafür braucht es Erwachsene, die ihn unterstützen und fördern. Nur so können junge Menschen sich entwickeln und wachsen und ihren Platz in der Gesellschaft finden.
Natürlich spielt der Fachkräftemangel hier eine wesentliche Rolle. Ich glaube aber auch, dass gesellschaftliche Entwicklungen zu Ausgrenzungsprozessen führen.
Natürlich zeigen diese jungen Menschen häufig herausfordernde Verhaltensweisen, die bei uns Unverständnis, Ablehnung und Wut hervorrufen. Die Gründe für diese Verhaltensweisen werden dabei jedoch häufig nicht gesehen und bedacht.
Meiner Ansicht nach können und müssen wir hier als Christen und Christinnen positiv in unsere Gesellschaft hineinwirken. Denn wenn ich das Gebot der Nächstenliebe richtig verstanden habe, gilt es nicht nur für den Nächsten in meiner eigenen Bubble, der so lebt, wie ich es für richtig halte.
Auch Jesus hat Menschen am Rande der Gesellschaft angeschaut, ist ihnen auf Augenhöhe begegnet, hat manche geheilt und hat mit ihnen Mahlgemeinschaft gehalten.
Eva Maubach-Maiworm, Drolshagen
(Einrichtungsleitung, GFO Josefshaus)