Liebe Leserinnen und Leser,
heute feiert die Kirche das Fest des heiligen Martin von Tours, des Patrons unserer Martinuskirche und der Stadt Olpe.
Doch in diesem Jahr dürfen auch die Martinszüge und ‑spiele wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden. Stattdessen gibt es eine schöne, bundesweite Aktion: „Teile dein Licht!“ Dabei sollen Laternen abends — für alle sichtbar — in die Fenster gestellt und Fotos davon in den sozialen Netzwerken veröffentlicht werden (#stmartin2020).
Das Licht teilen. Das hat Martin von Tours ausgemacht.
Er war wie ein Licht für andere. Er half Menschen, die in Not waren. Die Geschichte, die davon erzählt, wie er mit dem armen Bettler den Mantel geteilt hat, kennt sicher jeder. Martin glaubte fest daran, dass Gott alle Menschen liebt. Mit seinen Taten zeigte er uns, dass wir füreinander da sein können.
Aber bedarf es heute tatsächlich noch einer solchen Gestalt wie der eines Sankt Martin, um Menschen zur Mitmenschlichkeit anzuregen? Ist das Verschenken eines halben Mantels eine Tat, die eine solche Überhöhung rechtfertigt? Gäbe es nicht andere Personen, deren Taten unseren heutigen Vorstellungen von Mitmenschlichkeit mehr entsprechen als die des Sankt Martin?
Die Frage könnte aber auch lauten: „Wie zeitgemäß ist Nächstenliebe?“
Der heilige Martin ist nicht nur aufgrund seines Wirkens, sondern auch wegen des Brauchtums rund um seinen Namen heute einer der bekanntesten und beliebtesten Heiligen — vor allem bei den Kindern.
Die Überlieferung berichtet, der heilige Martin habe in sich alle Wesenszüge vereint, die seine Zeitgenossen von einem Kirchenmann und christlichen Seelsorger erwarteten: „Hingabe, Demut, Gerechtigkeitssinn. Mut, Weisheit und Barmherzigkeit. Kurz: Er war ein glaubwürdiger Mann des Glaubens.“ Er hat Grenzen überschritten und Zivilcourage gezeigt. Er war einer, der hinschaute, die Not sah und geholfen hat. Solche Menschen braucht auch unsere moderne Gesellschaft. In all dem kann er uns auch heute noch Vorbild sein.
Die leuchtenden bunten Laternen beim Martinszug sind Ausdruck für die „strahlende Botschaft“ des heiligen Martin und sollen wie damals Licht in die November-Dunkelheit bringen. Mit dem Umstand, dass selbst kleine Lichter tiefe Finsternis erhellen, verband sich die christliche Lichtsymbolik: Jesus bezeichnet sich als „Licht der Welt“ (Joh 8,12), aber auch die Gläubigen werden von Jesus so genannt: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,14). In der Bergpredigt fordert Jesus seine Zuhörer auf: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16).
Die Legende von der Mantelteilung vermittelt im Christentum eine Botschaft der Solidarität und des Mitgefühls. Mit seinem Leben kann Martin uns ein Vorbild sein. Ein Lichtblick für andere sein, solidarisch und mitfühlend zu einer gelingenden Gemeinschaft beitragen. Darum geht es.
Jeden Tag begegnen wir Menschen. Meist schauen wir sie nur oberflächlich an. Manchmal sehen wir aber mehr in ihnen. Ein Blick trifft ins Herz, ein Wort bleibt hängen, eine Geste weckt Mitgefühl. Begegnungen können das Leben verändern. Jesus Christus tritt auch uns in den Weg, unscheinbar und alltäglich, in den Menschen, mit denen wir leben.
Vielleicht können uns folgende Fragen in den nächsten Tagen begleiten: Gibt es zwei oder drei Menschen in meiner Umgebung, die Zuspruch oder meine Hilfe brauchen könnten? Wem möchte ich Mut machen? Wem kann ich ein Zeichen der Hoffnung schenken oder wer wartet auf meine Hilfe? So können wir dem Beispiel des heiligen Martin folgen und ein bisschen Licht und Freude in unsere Stadt und die Welt bringen.
Herzliche Grüße
Gerlind Kaptain