Von Jesus eingeladen
„Siehe, ein Fresser und Säufer, ein Freund der Zöllner und Sünder!“ (Lukas 7,34) Jesus wusste, warum seine Gegner ihn ablehnten, und seine Gegner sahen deutlich, dass Jesu Aktionen Bestehendes und als beständig Geglaubtes wackeln ließen. Jesus ging es um eine Aufmerksamkeit, die Gott neu wahrnehmen ließ. Dabei sah er sich trotz eines anderen Vorgehens in Gemeinschaft mit dem Täufer Johannes. Der hatte sich in die Wüste zurückgezogen, wurde dort von den Menschen aufgesucht und besiegelte in der Taufe ihre Umkehrbereitschaft. Jesus machte sich dagegen auf in die Städte und Dörfer, traf die Menschen bei ihren alltäglichen Beschäftigungen und weckte die Sehnsucht nach einem Gott, der sich auf die Suche nach seinen Menschen begeben hat.
„Mahlgemeinschaft“ hat etwas zu tun mit dem Gott, an den Jesus glaubt und den er seinen Vater nennt. „Mahlgemeinschaft“ hat auch etwas zu tun mit Umkehr und Neuanfang. Die nicht näher bekannte öffentliche Sünderin, die Jesus gesalbt hat, und der Oberzöllner Zachäus stehen dafür. Der Gott, für den Jesus eintritt, begibt sich auf die Suche nach seinen Menschen und sieht auch die, denen Umkehrbereitschaft und Umkehrfähigkeit abgesprochen werden. Will man einen ablehnen, ohne sich mit ihm beschäftigen oder auseinandersetzen zu müssen, dann bezweifle man seine Kompetenz. „Er hat einen Dämon!“ Das sagte man vom asketischen Johannes dem Täufer. Also muss man auf ihn nicht hören. „Ein Fresser und Säufer!“ Das galt dem Jesus der Gastmähler. Einem Fresser und Säufer muss man keine Beachtung schenken.
Gerade das Lukasevangelium arbeitet die Bedeutung der Gastmähler im Auftreten Jesu heraus. Neunmal ist er dort Teilnehmer oder Gastgeber eines Mahls: Er isst im Haus des Levi mit Zöllnern (5,27–39). Beim Pharisäermahl im Haus des Simon begegnet er einer stadtbekannten Sünderin (7,36–50). In der Erzählung von der Speisung der Fünftausend ist Jesus zum ersten Mal Gastgeber (9,10–17). Er verweilt als Gast bei Marta und Maria (10,38–42). Bei zwei weiteren Pharisäergastmählern geht es um „rein“ und „unrein“ (11,37–53) und um das rechte Verhalten bei Gastmählern (14,1–24). Jesus lädt sich beim Oberzöllner Zachäus zum Essen ein: „Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ (19,1–10). Dann sind da noch das letzte Abendmahl (22,1–38) und das Mahl in Emmaus, wo Jesus Eingeladener und Gastgeber zugleich ist (24,13–35). Der Leser des Lukasevangeliums folgt Jesus „von Tür zu Tür, von Einladung zu Einladung“ (Andreas Leinhäupl-Wilke).
Wenn Jesus Teilnehmer eines Gastmahls oder Gastgeber ist, bekommen alle mehr als genug. Seine Gastfreundschaft stiftet Zusammenhalt und Gemeinschaft und verweist auch immer über sich hinaus in die gute und freundliche Zukunft Gottes. Da gilt nicht: „Das geht alles nicht!“ Der Einladung darf man einiges zutrauen. Unter Kritik gerät auch unsere gegenwärtige Kirchlichkeit. Die zeigt sich nicht selten als Mangelwirtschaft: Kirchen werden geschlossen, Stellen können wegen Bewerbermangel nicht mehr besetzt werden, finanzielle Mittel werden knapper, und zu guter Letzt: auch die Zahl der engagierten Gläubigen schrumpft. Es gibt nicht nur einen Priestermangel, sondern auch einen Mangel an Gläubigen.
Die Mahlgemeinschaft mit Jesus, die Lukas vorstellt, kann einen Weg für die immer auch ungewisse Zukunft zeigen: Jesu Gastfreundschaft gilt allen, die ihm nachfolgen wollen. Wir dürfen diese Gastfreundschaft genießen, lassen uns dabei von ihm sagen, was es mit der Gottesherrschaft auf sich hat, und überlegen uns unseren Anteil dazu:
Ein Stück Brot in meiner Hand mir gegeben,
dass ich lebe, dass ich liebe, dass ich Speise bin für die andern.
Ein Schluck Wein in meinem Mund, mir gegeben,
dass ich lebe, dass ich liebe, dass ich Trank bin für die andern. (Lothar Zenetti)
Prof. Dr. Wolfgang Werner
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