Ein Kreuzweg in der Coronakrise
Wir gehen nicht allein

Liebe Mitglieder unserer Gemeinden,
die Passionszeit hat begonnen, die letzten zwei Wochen der Fastenzeit. Der Kreuzweg Jesu rückt da besonders in den Blick. In den Kirchen sind die Kreuze verhüllt. Eine Aufforderung ist das, neu hinzuschauen.
Gottesdienste können wir zur Zeit nicht feiern. Die Corona-Pandemie verhindert es. Darum haben Mitglieder des Pastoralteams einen besonderen Kreuzweg erstellt. Er kann Sie vielleicht in dieser Situation begleiten.
Lassen Sie sich einladen.…
Ihr
Clemens Steiling
Pfarrer

Einleitung
Schlag – Worte, Worte, mit denen man zuschlagen kann.
Wer will schon gern geschlagen werden? Wir erleben es täglich:
Wir schlagen mit Wörtern, wir schlagen mit der Faust, wir schlagen Türen zu, auch das Coronavirus hat zugeschlagen.
Schlagen – das ist Gewalt.
Jesus hat die Spirale der Gewalt durch sein Leben durchbrochen.
Er ist bewusst den Weg des Leidens gegangen, den Kreuzweg, um durch seinen Tod den endgültigen Tod zu überwinden.
Er will uns Menschen neues Leben schenken – Auferstehung nennt die Bibel das.
Wir glauben, dass er auferstanden ist und auch wir Auferstehung erleben werden.
Schon hier im Leben und nach unserem Tod.
Wir gehen nicht allein durch diese Coronakrise.
Wir gehen gemeinsam, und Jesus geht mit uns.
Wir können den Schlagworten der Gewalt gewaltfreie Worte entgegensetzen, Worte des Lebens, der Liebe, der Hingabe.

Du hast uns versprochen, alle Tage unseres Lebens bei uns zu sein. Du begleitest uns auch in diesen außergewöhnlichen Wochen. Danke!
1. Station: Angst – Vertrauen
Was uns bewegt: Angst
— mit dem Coronavirus angesteckt zu werden,
— arbeitslos zu werden,
— wirtschaftlich den Betrieb nicht mehr halten zu können,
— vor Verlusten, vor dem Tod

(Mk 14, 32–36)
Jesus und seine Jünger kamen zu einem Garten, der Getsemani hieß. Dort sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Bleibt hier sitzen, während ich bete.“ Er nahm Petrus, Jakobus und Johannes mit sich.
Plötzlich überfielen ihn Angst und Schrecken, und er sagte zu ihnen:
„Ich bin ganz verzweifelt. Am liebsten wäre ich tot. Wartet hier und bleibt wach.“
Er selbst ging noch ein paar Schritte weiter. Dort warf er sich zu Boden und bat Gott, ihm diese schwere Stunde zu ersparen, wenn es möglich ist. Er sagte: „Abba, mein Vater, für dich ist alles möglich. Nimm doch diesen Becher fort, damit ich ihn nicht trinken muss!
Aber nicht, was ich will, soll geschehen, sondern was du willst!“
Ein Gedanke:
Jesus findet Kraft im Gebet. Er spricht seine Ängste aus. Im Vertrauen auf seinen Vater ist er bereit, den Weg zu gehen, trotz aller Angst.

Danke, Gott, dass du unsere Ängste verstehst.
Danke, Gott, dass du mit uns gehst, Amen.
2. Station: Quarantäne – Freiheit
Was uns bewegt: Quarantäne
— Wir fühlen uns eingesperrt durch das Kontaktverbot.
— Wir fügen uns, aber wir spüren, wie hoch der Wert ist, dass wir uns in normalen Zeiten frei bewegen, versammeln, reden dürfen.
— Keine öffentlichen Gottesdienste feiern zu dürfen, schmerzt.
— Viele Menschen werden auch ohne Coronakrise in ihren Freiheiten stark eingeschränkt.

Joh 18,11–12
Jesus sagte zu Petrus: „Stecke das Schwert wieder weg!
Soll ich etwa den Becher nicht austrinken, den mir mein Vater gegeben hat?“
Die römischen Soldaten mit ihrem Anführer und die Gerichtsdiener, die von den jüdischen Behörden kamen, nahmen Jesus fest. Sie fesselten ihn.
Ein Gedanke:
Jesus wehrt sich nicht gegen seine Gefangennahme. Er weiß, warum er diesen Weg geht: Für uns, dass wir neues Leben und eine neue Freiheit im Glauben empfangen.

3. Station: Überforderung – Kraftvoll Sein
Was uns bewegt: Überforderung
— Die Gesamtsituation überfordert uns — sie ist unwirklich und wirft viele Fragen auf.
— Die große Informationsflut strengt uns an.
— Ärzte, Wissenschaftler und Pflegepersonal stoßen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.
— Krankenhäuser sind überlastet.
— Das Warten auf den Impfstoff strapaziert unsere Geduld.

Mk 15, 20b-22
Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen. Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Zyrene, den Vater des Alexander und des Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen. Und sie brachten Jesus an einen Ort namens Golgota, das heißt übersetzt: Schädelhöhe.
Ein Gedanke:
Simon von Zyrene wird gezwungen, Jesus zu helfen. Auch er war vermutlich mit der Situation überfordert. Sein Einsatz hat Jesus wieder neue Kraft gegeben, den schweren Weg weiterzugehen. Für wen bin ich in diesen Tagen da? Freiwillig? Unfreiwillig? Wem helfe ich und wer oder was gibt mir Kraft?

Jesus, Simon von Zyrene hat Dir geholfen, das schwere Kreuz zu tragen. Lass uns erkennen, wer unsere Hilfe in dieser schwierigen Zeit braucht. Schenke allen Menschen, die in der Corona-Krise für andere da sind, viel Kraft und Geduld. Gib uns allen immer wieder neuen Mut und lass uns kraftvoll den Weg miteinander gehen. Amen.
4. Station: Egoismus – Solidarität
Was uns bewegt: Egoismus
— Wir müssen verzichten — auf Konzerte, Freizeitaktivitäten, Restaurantbesuche
— Wir achten nur auf unsere eigenen Bedürfnisse, haben wir genug Mehl? Konserven? Hygieneartikel?
— Unsere Freunde und Verwandten nicht sehen zu können, ist schwierig für uns
— In dieser Krise müssen wir zusammenhalten

Phil 2, 1–8
Wenn es also eine Ermahnung in Christus gibt, einen Zuspruch aus Liebe, eine Gemeinschaft des Geistes, ein Erbarmen und Mitgefühl, dann macht meine Freude vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig, einträchtig, dass ihr nichts aus Streitsucht und nichts aus Prahlerei tut.
Sondern in Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen. Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.
Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
Ein Gedanke:
Meine Ungewissheit verleitet dazu, dass ich nur an meine Bedürfnisse denke. Wie sehr war Jesus bereit, sein Leben mit uns zu teilen? Jesus war ganz Gott, doch er war auch ein Mensch wie wir. Das tiefste Dunkel hat er mit uns durchlebt, damit wir gerade dort die Liebe Gottes spüren.

Jesus, hilf uns, aufeinander zu achten. Stärke unsere Hände für die, die unsere Hilfe brauchen und eröffne uns neue Möglichkeiten, unseren Mitmenschen, Freunden und Angehörigen Zeichen der Solidarität und Gemeinschaft zu zeigen.
Öffne unser Herz und lass uns spüren, dass du uns dabei begleitest. Amen.
5. Station: Ohnmacht – Zuversicht
Was uns bewegt: Ohnmacht
— Wir können unsere Familie nicht besuchen
— Keine weiteren Kontakte sind erlaubt
— Wir sind der Pandemie ausgeliefert
— Viele Flüchtlinge wünschen sich ein besseres Leben
— Hoffnung auf Heil und Heilung

Jes 53, 5 ‑7
Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr ließ auf ihn treffen die Schuld von uns allen. Er wurde bedrängt und misshandelt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf vor seinen Scherern verstummt, so tat auch er seinen Mund nicht auf.
Ein Gedanke:
Manchmal habe ich das Gefühl, wie am Boden zu liegen. Ich habe keine Kraft mehr. Niemand ist da, der mir hilft. Ich sehne mich nach Heilung und Hoffnung, fühle aber nur meine Ohnmacht. Ist jemand da, der mir hilft, der mich aufrichtet, der mich heilt?

Herr Jesus Christus, du gehst deinen Kreuzweg, der viel zu schwer ist. Einen Weg, der alle Kräfte einfordert. Aber du gehst ihn ganz.
So bitte ich dich für jeden Menschen, der in der Corona-Krise einen einsamen Leidensweg gehen muss, dass er nicht allein gelassen ist, sondern spüren darf, dass du vorangehst! Amen.
6. Station: Tod – Leben
Was uns bewegt: Tod
— Die Zahl der Toten, die täglich allein durch das Coronavirus sterben, lässt uns erschrecken
— Viele können sich von ihren Lieben nicht verabschieden
— Dazu kommen diejenigen, die auch sterben durch Unfall, weil sie alt sind, auf der Flucht im Meer ertrinken
— Und dennoch: auch in diesen Wochen werden Kinder geboren, erwacht die Natur zu neuem Leben

Lk 23, 32.39–43
Zusammen mit Jesus wurden auch zwei Verbrecher zur Hinrichtung geführt.
Sie kamen an den Ort, der Schädelhöhe heißt; dort kreuzigten sie ihn und die Verbrecher, den einen rechts von ihm, den anderen links.
Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn. Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns! Der andere wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.
Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.
Ein Gedanke:
Selbst der eine mit ihm Gekreuzigte, der Jesus verhöhnt, hofft auf Rettung.
Dem anderen verspricht Jesus das Paradies — und damit auch uns.
Paradies – ein Bild für das Leben in Fülle.
Auch wir hoffen darauf, dass es nach der Coronakrise neues Leben mit all seinen bunten Facetten geben wird.

Jesus, viele Menschen müssen in diesen Tagen ohne menschlichen Beistand sterben. Lass sie deine Nähe spüren.
Und wir bitten dich für diejenigen, mit denen wir im Leben verbunden waren und für alle Verstorbenen weltweit: Lass sie leben in der ewigen Gemeinschaft mit dir, Amen.
7. Station: Verzweiflung – Hoffnung
Was uns bewegt: Verzweiflung
— Es ist noch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
— Viele fühlen sich auch von Gott verlassen.
— Viele sehen keine Zukunft für ihren Betrieb.
— Weltweit werden Menschen arbeitslos und wissen nicht, wovon sie leben sollen.
— Und doch werden viele Hoffnungslichter angezündet, Zeichen der Hoffnung gesetzt durch konkrete Hilfe und auch durch das Läuten der Glocken.

Mt 27, 45–46.50–52
Von der sechsten Stunde an war Finsternis über dem ganzen Land bis zur neunten Stunde. Um die neunte Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eli, Eli, lema sabachtani?, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Jesus schrie noch einmal mit lauter Stimme. Dann hauchte er den Geist aus.
Und siehe, der Vorhang riss im Tempel von oben bis unten entzwei. Die Erde bebte und die Felsen spalteten sich. Die Gräber öffneten sich und die Leiber vieler Heiligen, die entschlafen waren, wurden auferweckt.
Ein Gedanke:
Jesus kennt die Verzweiflung – das macht ihn so menschlich für uns. Er ist uns in all unserer Verzweiflung nahe.
Die Auferstehung der Toten wird immer wieder in der Bibel bezeugt.
Der Glaube an die Auferstehung Jesu ist der Kern unseres Glaubens, wie wir in einem Osterlied bekennen: Verklärt ist alles Leid der Welt, des Todes Dunkel ist erhellt. Der Herr erstand in Gottes Macht, hat neues Leben uns gebracht.
(siehe GL 329, 2. Str.)

Jesus, bleibe bei uns! Schon sinkt die Welt in Nacht und Dunkelheit. Jesus, du unsere Hoffnung, du lässt uns nicht allein, deshalb bleiben auch wir im Leben und im Sterben in dir, Amen. (in Anlehnung an GL 325, 1.,3. Str.)
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