Taufstein in St. Clemens Drolshagen
In St. Clemens steht der älteste Taufstein unseres Pastoralen Raumes
Seit über 800 Jahren empfangen hier die Menschen ihre Taufe, um mit Gott ewig zu leben.
Ich gehe gerne in unsere Sankt Clemenskirche. Nicht nur zu den Gottesdiensten, nein, auch einfach mal so, unter der Woche. Jetzt, nach der großen Restaurierung der letzten Jahre, bei der auch eine ausgeklügelte Beleuchtungsanlage installiert wurde, erstrahlen beide Kirchenräume, die fast tausendjährige Basilika und der Erweiterungsbau aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, in neuem Glanz.
Unser fleißiger Küster sorgt dafür, dass beide Altarräume sich immer von ihrer besten Seite präsentieren. Vor allem die erhabene Schlichtheit der Basilika hat es mir angetan. Die fünf hohen Säulenreihen des Mittelschiffs mit ihren bescheidenen Kapitellen und den Kreuzgewölben lenken den Blick unweigerlich zum Chorraum mit seiner kleeblattförmigen Apsis und den vier Säulen aus Eifeler Aquäduktenmamor.
Hoch oben, im Triumphbogen des Mitteltrakts, prangt ein verästeltes Kreuz als Lebensbaum.
Unser Taufstein
Der Taufstein ist der älteste Einrichtungsgegenstand in unserer Pfarrkirche. Er hat seinen Standort im Laufe der Geschichte mehrfach gewechselt. Heute befindet er sich unmittelbar vor der südlichen Seitenschiffapside, in der Nähe des spätmittelalterlichen Freskos, das die Steinigung des Hl. Stephanus zeigt, der als erster Märtyrer der christlichen Kirche gilt.
Das Taufbecken steht auch im Dialog mit der in dunklem Blau gehaltenen Malerei auf der Glasscheibe, die ‑wenige Meter entfernt- als Trennwand zwischen dem alten und dem neuen Kirchenbau dient. Hier hat der Künstler Thomas Jessen, von dem auch das neue Marienretabel stammt, eine Szene aus Genesis, dem ersten Buch der Bibel festgehalten, die des Durchzugs der Israeliten durch das Rote Meer. Für ihn steht dieses Bild, übrigens auf Augenhöhe mit dem Taufstein und daher auch für Kinder gut erkennbar, als Hinweis auf die Taufe. Während die Israeliten nach erfolgreicher Flucht durch das Meer lediglich in die Wüste geführt werden, stellt die Taufe mit dem geweihten Wasser die wahre Befreiung der Christen dar, indem es die Erbsünde tilgt und uns auf Gott ausrichtet.
Bei der Feier der Osternacht, in der ja auch das neue Taufwasser geweiht wird, wird uns dieser Zusammenhang jedes Jahr aufs Neue ins Gedächtnis gerufen.
Das Grafenpaar Heinrich III. und Mechthild von Sayn
Unser Taufstein ist aus dem Trachytgestein des Siebengebirges gefertigt. Seine Höhe beträgt 95 cm, sein Durchmesser 110 cm. Das eigentliche Taufbecken, die sog. Cuppa, bildet einen sechsseitigen Pokal.
Um den oberen Rand des Beckens verläuft ein säuberlich gearbeiteter Blattdekor, der aus dem Gestein heraus gehauen wurde. Dieser Blattfries wird unterbrochen durch die Kapitelle der sechs Trachytsäulen, die das eigentliche Taufbecken stützen. Die spätromanischen Stilformen verweisen seine Entstehung in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Es war genau die Zeit, als das Grafenpaar Heinrich III. und Mechtild von Sayn dem Zisterzienserorden ein Nonnenkloster in unserer Stadt stiftete, dessen Geschicke jahrhundertelang das Leben der Menschen im Drolshagener Land mitbestimmen sollte. Die von Sayn waren es nämlich auch, die festlegten, dass die Drolshagener Kirche von nun an gleichzeitig Pfarr- und Klosterkirche sein sollte und dass die Äbtissin des Klosters das Recht hatte, den Pfarrer zu bestimmen.
Seit fast 800 Jahren also steht dieses Taufbecken in unserer Kirche. Wie mag der Stein, der mehrere hundert Kilo wiegt, aus der Steinmetzwerkstatt neben einem der Steinbrüche am Siebengebirge in unsere Kirche gelangt sein? Immerhin sind es vom Drachenfels nach Drolshagen auf Feld- und Waldwegen gut 70 Kilometer, bei dem stetigen Bergauf und Bergab durch das rheinisch-westfälische Schiefergebirge und den damaligen Straßenverhältnissen sicherlich eine große Herausforderung, sowohl für die mittelalterlichen Fuhrleute als auch für ihre Pferde.
Eine weitere Frage kommt mir in den Sinn: Wie viele meiner Drolshagener Vorfahren, ja, wie viele Menschen überhaupt mögen in dieser langen Zeitspanne von ihren Eltern oder Paten über dieses steinerne Becken gehalten und getauft worden sein?
Besondere Gemeinschaft
Die Taufe ist das Sakrament, das die Christen über die Zeiten und über die Konfessionen hinweg verbindet. Im Epheserbrief heißt es: “…ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, über allen und durch alle und in euch allen” (Eph 4:5–6). Sie ist Realsymbol für die besondere, unauflösbare Gemeinschaft des oder der Getauften mit Jesus Christus.
Diese Verbindung bleibt bestehen, auch wenn der oder die Getaufte beschließt, aus der Gemeinschaft der Kirche auszutreten. Die Symbolkraft der Taufe reicht aber noch weiter: Bei Paulus lesen wir im Römerbrief: Oder wisst ihr nicht, dass wir mit Jesus Christus gestorben sind, als wir auf seinen Namen getauft wurden? Denn durch die Taufe sind wir mit Christus gestorben und begraben. Und genauso wie Christus durch die herrliche Macht des Vaters von den Toten auferstanden ist, so können auch wir jetzt ein neues Leben führen. Da wir in seinem Tod mit ihm verbunden sind, werden wir auch in der Auferstehung mit ihm verbunden sein. (…) Und weil wir mit Christus gestorben sind, vertrauen wir darauf, dass wir auch mit ihm leben werden.“ (Röm 6:3–6 +8).
Gerne denke ich an diese Worte, wenn ich in der alten Kirche bin, und ich berühre dabei den Blattfries des uralten Taufsteins, gerade auch dann, wenn wir in besonderer Weise unserer Verstorbenen gedenken.
Natürlich gibt es auch in den anderen Kirchen unseres Pfarrverbunds schöne Taufbecken, einige ebenfalls in einem stattlichen Alter, andere im modernen Design, und sie alle erfüllen denselben Zweck. Dass auch sie die nächsten Jahrhunderte überdauern mögen, genau wie der Drolshagener Taufstein und die Kirche, die gerade, von schweren Krisen geschüttelt, Halt und Orientierung sucht, das wünsche ich mir.
Unser Drolshagener Taufstein hat einen Zwillingsbruder
Noch eine Kuriosität: Unser Drolshagener Taufstein hat einen Zwillingsbruder. Er steht in der Abteikirche in Bendorf-Sayn am Rand des Westerwalds zwischen Neuwied und Koblenz. Diese Kirche und das dazu gehörende ehemalige Prämonstratenserkloster wurden ebenfalls von Heinrich III. und Mechthild von Sayn gestiftet, nur wenige Jahre vor der Kirche in Drolshagen.
Autor: Heinz Stachelscheid