Gedanken zum Tag – 30. September 2020, Mitt­woch der 26. Woche im Jahreskreis

30. Sep. 2020

Erin­ne­rungen vom Jakobsweg

Vor einem Jahr um diese Zeit bin ich mit einer Freundin den Jakobsweg gelaufen. Wir sind über 12 Jahre hinweg in Etappen von Köln bis Pamplona gepil­gert, in diesem Jahr haben wir Zeit und laufen von Pamplona bis Sant­iago de Compos­tela und Finis­terrae am Stück. Am sechsten Tag geht es fast 30 km von Nájera nach Grañón. Ziem­lich erschöpft und völlig verschwitzt kommen wir in der Kirche von Grañón an. Auf diese Pilger­her­berge haben wir uns beson­ders gefreut: Hier darf man im Dach­stuhl der Kirche auf Sport­matten über­nachten. Die Elma, eine der beiden jungen Hospi­ta­leras, nimmt uns erst einmal fest in den Arm und erklärt uns: „Hier bekommt ihr keinen Stempel für euren Pilger­pass, wir möchten einen Stempel in eurem Herzen hinterlassen!“

Und das tun sie auch: Egal, wie viele Pilger ankommen, alle werden aufge­nommen, notfalls darf man sogar in der Kirche selbst über­nachten. Einige Pilger helfen beim Kochen, wir feiern mit der Gemeinde Gottes­dienst, der Priester kommt mit zum Abend­essen und nach der gemein­samen „Spül­wasch­straße“ mit allen Pilgern gehen wir leise auf die dunkle Orgel­bühne und erzählen uns, was uns bewegt, danach segnen wir uns gegen­seitig. Es ist beinahe wie an Pfingsten: Jeder darf in seiner eigenen Sprache erzählen: Spanisch, Englisch, Fran­zö­sisch, Deutsch, Chine­sisch, Polnisch und trotzdem haben wir das Gefühl, dass wir einander verstehen. Eigent­lich habe ich mich erst ab diesem Abend so richtig als Pilgerin gefühlt, bin mit dem Herzen auf dem Jakobsweg angekommen.

Am Morgen gibt jeder so viel für die Über­nach­tung und das Essen, wie er mag und kann, und wer es nötig hat, darf sogar Geld aus der Pilger­kasse nehmen. Und von dem Geld, was wir zurück­lassen, wird Abend­essen und Früh­stück für die Pilger gekauft, die nach uns kommen.

Was für ein Traum von Kirche: Eine Gemeinde, die sich jeden Abend deut­lich erkennbar über die Pilger des Tages freut, ein Pfarrer, der jede Nacht auf der Empore mit ihnen erzählt und betet, jeder gibt, was er kann und jeden Tag werden alle wunder­ba­rer­weise satt.

Ein biss­chen etwas vom Geist von Grañón wünsche ich uns allen in unseren Gemeinden. Und Menschen, die solche Stempel in unseren Herzen hinter­lassen. Und uns, dass wir ebenso Heimat für andere sein können und Spuren hinterlassen.

Marga­rete Kubiak

 

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