Erinnerungen vom Jakobsweg
Vor einem Jahr um diese Zeit bin ich mit einer Freundin den Jakobsweg gelaufen. Wir sind über 12 Jahre hinweg in Etappen von Köln bis Pamplona gepilgert, in diesem Jahr haben wir Zeit und laufen von Pamplona bis Santiago de Compostela und Finisterrae am Stück. Am sechsten Tag geht es fast 30 km von Nájera nach Grañón. Ziemlich erschöpft und völlig verschwitzt kommen wir in der Kirche von Grañón an. Auf diese Pilgerherberge haben wir uns besonders gefreut: Hier darf man im Dachstuhl der Kirche auf Sportmatten übernachten. Die Elma, eine der beiden jungen Hospitaleras, nimmt uns erst einmal fest in den Arm und erklärt uns: „Hier bekommt ihr keinen Stempel für euren Pilgerpass, wir möchten einen Stempel in eurem Herzen hinterlassen!“
Und das tun sie auch: Egal, wie viele Pilger ankommen, alle werden aufgenommen, notfalls darf man sogar in der Kirche selbst übernachten. Einige Pilger helfen beim Kochen, wir feiern mit der Gemeinde Gottesdienst, der Priester kommt mit zum Abendessen und nach der gemeinsamen „Spülwaschstraße“ mit allen Pilgern gehen wir leise auf die dunkle Orgelbühne und erzählen uns, was uns bewegt, danach segnen wir uns gegenseitig. Es ist beinahe wie an Pfingsten: Jeder darf in seiner eigenen Sprache erzählen: Spanisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Chinesisch, Polnisch und trotzdem haben wir das Gefühl, dass wir einander verstehen. Eigentlich habe ich mich erst ab diesem Abend so richtig als Pilgerin gefühlt, bin mit dem Herzen auf dem Jakobsweg angekommen.
Am Morgen gibt jeder so viel für die Übernachtung und das Essen, wie er mag und kann, und wer es nötig hat, darf sogar Geld aus der Pilgerkasse nehmen. Und von dem Geld, was wir zurücklassen, wird Abendessen und Frühstück für die Pilger gekauft, die nach uns kommen.
Was für ein Traum von Kirche: Eine Gemeinde, die sich jeden Abend deutlich erkennbar über die Pilger des Tages freut, ein Pfarrer, der jede Nacht auf der Empore mit ihnen erzählt und betet, jeder gibt, was er kann und jeden Tag werden alle wunderbarerweise satt.
Ein bisschen etwas vom Geist von Grañón wünsche ich uns allen in unseren Gemeinden. Und Menschen, die solche Stempel in unseren Herzen hinterlassen. Und uns, dass wir ebenso Heimat für andere sein können und Spuren hinterlassen.
Margarete Kubiak