Uns fehlen die Worte –
das waren die meistgehörten oder ‑geschriebenen Sätze in den Beileidsbekundungen, die unsere Familie erreicht haben. Unsere Schwiegertochter, Ehefrau unseres ältesten Sohnes, Mutter von drei Kindern (sieben Jahre, 19 Monate, drei Monate) wurde nach einem Herzinfarkt von Gott heimgerufen.
Wir fragen uns immer wieder: „Warum? Warum sie?“ Einen Schicksalsschlag hatte die junge Familie ja schon hinter sich: Vor drei Jahren hatte sie ein Kind nach zwölf Tagen verloren. Warum musste jetzt die Mutter gehen? Warum?
Man fängt langsam an, mit Gott zu hadern. Die Wege Gottes sind unergründlich, scheinbar ungerecht und man kann sie nicht nachvollziehen.
Man fragt sich: Wie wird die Familie damit fertig? In dieser Situation ist die Hilfsbereitschaft groß. Es gibt eine Gruppe „Helfende Hände“, Freunde, Nachbarn und die Familie, die alle ihre Hilfe anbieten und erreichbar sind. Ganz zu schweigen von den Großeltern – die müssen „funktionieren“.
Man ist auch für jedes Gespräch dankbar, das uns von den Sorgen ablenkt, für ein freundliches Zunicken, wenn die Worte fehlen. Ein Händedruck oder eine Umarmung wären schön – aber in Coronazeiten nicht möglich. Als schlimm empfindet man es, wenn Mitmenschen bewusst die Straßenseite wechseln – sie könnten ja angesprochen werden – und keine Worte finden.
Langsam holt einen der Alltag wieder ein. Die Schule hat begonnen. Felix hat seine ersten Kindergartentage – Eingewöhnung mit dem Opa. Aber es gibt noch so viele Dinge, die geregelt werden müssen. Und immer wieder die Frage: „Warum? Warum sie?“
Abschied nehmen ist, als falle man in ein tiefes, dunkles Loch ohne Ziel und Boden. Doch irgendwann tauchen Erinnerungen an schöne Momente auf und zeigen uns den neuen Weg.
In einer Beileidskarte lasen wir: „Trauer ist wie ein großer Felsbrocken. Wegrollen kann man ihn nicht. Zuerst versucht man, nicht darunter zu ersticken, dann hackt man ihn Stück für Stück kleiner; und den letzten Brocken steckt man in die Hosentasche und trägt ihn ein Leben lang in Liebe mit sich herum.“
Der Tod ist das Ende des Lebens – aber nicht der Liebe. Und Gott ist die Liebe.
Und der christliche Glaube gibt hier Trost, Kraft und Hoffnung, denn – Menschen begleiten uns eine Weile, einige bleiben für immer, denn sie hinterlassen Spuren in unseren Herzen.
Hoffnung macht auch der vielzitierte Text von Dietrich Bonhoeffer:
Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr. …
Und reichst du uns den schweren Kelch, den bitteren des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand. …
Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Cornelia Heider