Zwei Beerdigungen unter Corona-Bedingungen habe ich schon hinter mir. Beerdigungen unter Corona-Bedingungen heißt: kein Totengebet, kein Seelenamt bzw. kein Auferstehungsamt in der Kirche, keine Trauerfeier in der Friedhofshalle, Beisetzung im kleinsten Kreis direkt am Grab. Als Richtwert gibt unser Erzbistum die Anzahl von 20 Personen an (inkl. Bestatter/in, Priester/Diakon, Sargträger).
Beerdigungen unter Corona-Bedingungen schmerzen Angehörige doppelt. Da ist die Trauer über den Verlust eines lieben Menschen, dessen Tod in seine Familie und in seinen Freundes- und Bekanntenkreis eine Lücke reißt. Zudem gilt es, die strikten Anweisungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auszuhalten – auch am Grab eines lieben Verstorbenen. Angehörige müssen entscheiden, wer dabei sein kann und wer nicht. Nachbarn, Freunde und/oder Arbeitskollegen eines Verstorbenen müssen der Beisetzung fernbleiben. Die Szenerie ist unwirklich. Gleichwohl bemühen sich alle Beteiligten um eine würdige Beisetzung.
Um einen Todesfall geht es auch im heutigen Sonntagsevangelium (Joh 11,1–45). Lazarus, offenbar ein guter Freund von Jesus, ist verstorben. Zunächst wird noch berichtet, dass Lazarus erkrankt sei. Aber im Laufe der Erzählung wird deutlich, dass er verstorben ist. Jesus ist vom Tod seines Freundes sehr angerührt. Verständlicherweise sind auch die beiden Schwestern des Toten, Maria und Marta, traurig, mitgenommen, fassungslos. In ihrer Not haben sie nach Jesus rufen lassen. Er soll helfen. Die Stimmung ist aufgewühlt. Marta und Maria setzen ihre Hoffnungen auf Jesus. Trotzdem, oder gerade deswegen, machen sie Jesus Vorwürfe. „(…) Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben“ (Joh 11, 21b bzw. Joh 11, 32b). Die beiden Frauen wirken auf mich wie Demonstrantinnen für das Leben und gegen den Tod. Sie wollen sich mit dem Tod ihres Bruders nicht einfach abfinden. Gleichwohl scheinen sie resigniert zu haben. „Herr, er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag“, sagt Marta, als Jesus die Grabhöhle des Lazarus öffnen lässt. In diese aufgewühlte Stimmung hinein, die hin und her schwankt zwischen der Hoffnungslosigkeit der Situation und dem Vertrauen in die Person Jesu, demonstriert Jesus seine Macht. Er ruft den Lazarus ins Leben. Ein stärkeres Zeichen ist nicht möglich. Es ist das ganz persönliche Osterfest des Lazarus. Das heutige Sonntagsevangelium sagt uns: Vertraut der österlichen Macht Gottes, vor allem in diesen Tagen, die uns aufwühlen und uns in nie gekannter Art und Weise herausfordern. Gott ruft uns ins Leben.
Papst Franziskus hat in seiner, wie ich finde, beeindruckenden Predigt am Freitagabend (hier im Video und Wortlaut) gesagt, dass „er (Gott) Ruhe in unsere Stürme bringt, denn mit Gott geht das Leben nie zugrunde.“ Diese Zusage soll und kann uns durch diese aufwühlende und herausfordernde Zeit tragen. Sie gilt, nicht nur, aber ganz besonders auch denjenigen, die derzeit ihre verstorbenen Angehörigen, Verwandten, Freunde und Nachbarn nur im kleinen Kreis beisetzen können. Diejenigen, die z. Zt. an Beerdigungen teilnehmen, demonstrieren für viele andere Menschen mit, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern das Leben, das uns von Gott her geschenkt ist.
Pace e bene
Michael Kammradt
Das Fürbittgebet habe ich, leicht verändert, von der Internetseite des Bistums Trier übernommen.
Der Gott des Lebens will uns und alle aus ihren Toden erretten; zu ihm rufen wir:
Wir bitten für alle am Corona-Virus Erkrankten,
für alle, die um ihr Leben kämpfen.
Für alle, die in den medizinischen und pflegerischen Berufen für die Kranken und für alte Menschen im Einsatz sind.
Wir beten für alle,
die um ihren Arbeitsplatz fürchten oder in ihrer Existenz bedroht sind.
Für alle, die im Dienst für uns und die Gesellschaft gerade auch in der Krisenzeit arbeiten – oft unter erschwerten Bedingungen.
Wir beten für die Menschen in den vielen Ländern mit einem nur wenig ausgebauten Gesundheitssystem.
Für Arme weltweit und für Menschen ohne Obdach bei uns, denen schon die Einhaltung von Hygieneregeln nur schwer möglich ist.
Wir beten für alle Menschen auf der Flucht, besonders für die auf den griechischen Inseln.
Für alle, die vor Ort, mit begrenzten Möglichkeiten und trotz Anfeindungen helfen.
Für alle, die angesichts der Not ihre Ohnmacht spüren.
Wir bitten für die Arbeit des Hilfswerks Misereor und für alle, die mit Misereor zusammenarbeiten im Einsatz für Frieden und Entwicklung.
Für alle, die durch die Projekte Hilfe bekommen und Hoffnung erfahren.
Wir beten für alle, die in diesen Tagen in der Familie, im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft einen Sterbefall zu beklagen haben; für diejenigen, die Angehörigen, Verwandten, Freunden und Nachbarn nicht das letzte Geleit geben können und für alle, die im Bestattungswesen arbeiten und derzeit vor großen Herausforderungen stehen.
Wir bitten für die Christinnen und Christen, die sich zu Gebet und Gottesdienst verbinden,
auch ohne, dass wir zusammenkommen können;
und für alle, die dafür zu neuen kreativen Wegen einladen.
Wir beten für alle, die es nur schwer aushalten können, zu Hause allein oder nur mit der Familie zusammen zu sein. Besonders für die vielen tatsächlich oder vielleicht Corona-Infizierten in strenger Quarantäne.
Wir bitten für uns selbst in unseren Nöten und mit den Sorgen um Menschen in der Familie und im Bekanntenkreis.
Für unsere Toten und alle, die um sie trauern.
Du, Gott, begleitest uns auf allen Wegen.
Du führst uns durch den Tod zum Leben.
Dich loben und preisen wir jetzt und allezeit. Amen