Liebe Gemeinde,
„Kinder sollten lernen, wie Elon Musk & Jeff Bezos zu denken”, schreibt Deutschlands wohl bekanntester Investor Frank Thelen. Als Visionär wünscht sich Thelen eine zukunftsorientiertere Denkweise für unser Land. Als Vorbilder nennt er zwei der erfolgreichsten und wohlhabendsten Unternehmer der Welt, die globale Konzerne wie Tesla und Amazon gegründet haben. Um wie sie denken zu können, dürften Lehrpläne unserer Schulen nicht rückwärtsgewandt sein, sondern müssten junge Menschen auf die Möglichkeiten hinweisen, die ihnen insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung offen stehen. Im globalen Wettbewerb mit Ländern wie den USA und China sollte seiner Meinung nach auch Programmieren statt Latein als Unterrichtsfach dienen.
Ich verstehe Thelens Kritik in großen Teilen. Denn Deutschland ist bei der Digitalisierung international abgehängt. Die großen Technologiekonzerne sitzen im Ausland. Allein Apple ist fast doppelt so viel wert wie alle im Dax vertretenen Unternehmen zusammen. Für diese Entwicklung gibt es verschiedene Gründe, zu denen vermutlich die grundsätzliche Denkweise von Menschen hinzugezählt werden darf. Maßgeblich wird die Einstellung eines Individuums schon in der Kindheit und Jugend geprägt. Insofern stimme ich zu, dass hier zu positiven Veränderungen angesetzt werden sollte.
Drei Punkte an Thelens Forderungen sehe ich jedoch anders.
Erstens: pauschalisierte Forderungen. Menschen sind einzigartig und damit unterschiedlich. Ausgeprägte Talente, eigene Interessen und ein gesellschaftliches Umfeld werfen individuelle Lebenspläne auf, die es zu respektieren gilt. Ich denke nicht, dass eine Pflegekraft, ein Musiker oder ein Pilot programmieren können müssen. Genauso halte ich wenig davon, einem Softwareentwickler, einem Unternehmensberater oder einer Verkäuferin das Erlernen der lateinischen Sprache aufzuzwingen. Natürlich ist ein möglichst breit gefächerter Grundstock an Wissen vorteilhaft. Viel wichtiger ist meiner Meinung nach jedoch eine offene, positive und mutige Denkweise, eine Haltung für Neues, gepaart mit dem Bewusstsein für die Lehren, welche wir aus der Vergangenheit ziehen sollten.
Zweitens: falsche Erwartungen. Der Homo Perfectus ist ein auf Selbstoptimierung getrimmter Sonderling, der viele Menschen zu immer höheren Leistungen antreibt: Schöner, besser und beliebter sollen sie sein. Gesünder essen, mehr Sport treiben, umweltbewusster konsumieren, besser aussehen, härter arbeiten, anderen gefallen. Am Wichtigsten, so der Lehrplan dieser Selbstdarsteller, ist die Inszenierung des vermeintlich perfekten Lebens in sozialen Medien. Das Verlangen nach Bestätigung und die Bewunderung durch andere scheint immer öfter das Maß aller Dinge zu sein. Das Streben nach Erfolg und Ruhm wird von Influencern, Spitzensportlern, Sternchen aus Film und Musik und auch Berühmtheiten aus Politik und dem Big Business vorgelebt. Sie suggerieren das wahre Leben nach ihren Maßstäben. Es reicht nicht, nur gut zu sein. Stattdessen wird der nächste Superlativ à la Cristiano Ronaldo oder Greta Thunberg gesucht. Um es klar zu sagen: Ein Leben in Gesundheit und Glückseligkeit ist etwas Schönes und Erstrebenswertes. Jedoch werden oftmals unerreichbare Entwicklungen proklamiert, die zu einer Absonderung der Persönlichkeit führen können. Insbesondere junge Menschen sind der Gefahr einer Indoktrinierung durch geschönte Idole ausgesetzt, sofern ihnen kein Gegenentwurf aufgezeigt wird. Womit wir beim letzten Punkt sind.
Drittens: verschwiegene Alternativen. Wo bleibt bei allen Bemühungen nach körperlicher Selbstoptimierung, ökologischer Balance und materiellem Erfolg die Suche nach dem für uns Christen tieferen Sinn des Lebens? Wo steht Gott und nicht unser Ego im Mittelpunkt unseres Handelns? Was bleibt, wenn Vergängliches vergeht? Wenn das Kartenhaus unserer möglichen „Selbstverwirklichung“ unweigerlich zusammenbricht? Spätestens dann wäre doch eine Rückbesinnung auf Gott fällig. Wie kann Gott in meinem Leben eine prägende statt beiläufige Rolle einnehmen? Was erfüllt mich wirklich? Freilich, es geht nicht darum, aus jedem Menschen den nächsten Papst zu machen. Möge jeder nach seiner Bestimmung glücklich werden. Vielmehr geht es darum, Gott durch Gebet und Vertrauen an seiner Seite zu haben. Ihn als ständigen Begleiter zu wissen. Nach Gottes Worten zu leben wird Menschen, ob jung oder alt, vor falschen Idealen schützen. Anstatt einer Forderung nach weltlichen Leitbildern wäre mir ein frommer Wunsch für alle Menschen im Hinblick auf ein erfülltes Leben lieber. Er könnte lauten: „Kinder und Erwachsene sollten (wieder) lernen, nach dem Vorbild Jesu Christi zu leben.” Denn Jesus ist für mich der einzig wahre, ja, der größte Influencer aller Zeiten. Er will, dass das Geschenk des Lebens gelingt. Alles andere kommt danach.
Ihr
Lukas Wrede