Gesundheit und – oder – wirtschaftliches Wohlergehen?
Liebe Leserinnen und Leser,
in der Frankfurter Sonntagszeitung hat mich vor einigen Wochen ein Satz im Wirtschaftsteil aufmerken lassen. Ich zitiere sinngemäß: Es ist beispiellos, dass die Bundesrepublik Deutschland den Lockdown beschlossen und damit erstmals den Schutz der Gesundheit über das wirtschaftliche Wachstum gestellt hat. Dieser Satz hat mich zum Nachdenken angeregt angesichts der Veränderungen unseres Alltages seit Mitte März.
Pflegenden in den Krankenhäusern und Mitarbeitenden in den Lebensmittelläden wurde von höchster Stelle gedankt und sie erhielten von vielen Menschen Applaus und Anerkennung. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Arbeitsbedingungen für viele Menschen nicht gut sind und sie für ihre Arbeit keinen angemessenen Lohn erhalten. In der Krise merken wir, dass genau diese Bereiche für uns lebens — notwendig sind.
Ich frage mich, wie ist mein Konsum-Verhalten? Wo und was kaufe ich? Unterstütze ich diejenigen, die einen angemessenen Lohn für die Menschen in den „systemrelevanten Bereichen“ fordern?
In den letzten Wochen und Monaten fällt auf, dass manche Dinge nicht zur Verfügung stehen, weil sie nicht hergestellt wurden oder geliefert werden konnten. Viele Waren werden aus anderen, weit entfernten Ländern bzw. Kontinenten nach Deutschland gebracht. Mit der Pandemie wird deutlich, wie verletzlich diese Lieferketten sind. Wir warten auf verschieden Produkte, weil in einem weit entfernten Teil der Welt eine Krankheit ausgebrochen ist, mit der wir zu Beginn der Pandemie noch gar nichts zu tun haben.
Ich frage mich, ob wir nicht viele Waren wieder in der Nähe produzieren sollten, auch wenn diese dann teurer werden.
Helfen uns diese Erfahrungen, über unseren Konsum nachzudenken? Ahnen wir, dass unser Konsumverhalten manche Ungerechtigkeiten in der Lohnzahlung oder im Arbeitsschutz bei uns in Deutschland oder in den Schwellen- und Entwicklungsländern bewirken? Für mich hoffe ich, dass mich diese Fragen weiter beschäftigen und unruhig halten. Ich wünsche mir, das wir zu einem wirtschaftlichen Wohlergehen für alle finden.
Sr. Veronika Fricke, Konvent San Damiano