Gedanken zum Tag – 22. April 2020, Mitt­woch der zweiten Osterwoche

22. Apr. 2020

Wie können wir denn dieses Jahr Ostern feiern?

Diese Frage stellte sich meiner Familie mit zwei Teen­ager-Töch­tern. Unsere bishe­rige Tradi­tion bestand darin, am Sams­tag­abend die Oster­nacht mitzu­feiern und anschlie­ßend bei der Agape mit anderen Gemein­de­mit­glie­dern so richtig genüss­lich das Fasten zu brechen. Und dieses Jahr? Einen Haus­got­tes­dienst feiern? – Das Entsetzen stand meiner Tochter ins Gesicht geschrieben. Mit der Familie alleine laut beten war für sie nicht vorstellbar und mir wurde mal wieder bewusst, wie persön­lich und intim doch Glaube für uns ist. Einen Fern­seh­got­tes­dienst anschauen? – Ein abso­lutes No-Go für die Mädels und ich konnte es mir auch kaum vorstellen. Aber einfach irgend­wann um den Tisch rum sitzen und die Eier aus ihrer bunten Schale pellen, wollte auch keiner. Was also tun?

Nach ausgie­bigem Studium des Wetter­be­richts, der Sonnen­auf­gangs­zeiten und Land­karten, reifte der Plan, in den Oster­morgen zu wandern. Um 5.15 Uhr ging es los. Das Ende sollte auf einer Bank sein, von der aus man perfekt den Sonnen­auf­gang beob­achten konnte. Jeder von uns hatte sich einen der acht Lesungs­texte ausge­sucht, die wir uns an verschie­denen Stellen unter­wegs gegen­seitig vortrugen ¬ mal mit Kommentar, mal ohne, so wie es für jeden richtig war.

Die Dämme­rung brach an und die Vögel gaben ein Konzert, das einer Kirchen­orgel zumin­dest von der Laut­stärke her in nichts nach­stand, auch wenn es nicht ganz so harmo­nisch klang. Und da kam unsere Bank in Sicht, doch Mist, sie war schon besetzt. Da hatten wohl auch andere dieselbe Idee. Also blieben wir ca. 50 Meter entfernt auf der Wiese stehen. Mit dem Sonnen­auf­gang wollte es auch nicht so recht etwas werden, genau an der Stelle des Himmels hatten sich die Wolken noch nicht verzogen. Wir warteten … und sangen … ein Halle­luja aus Taizé. Feine rote Risse zeich­neten sich in den Wolken ab. Dann lasen wir das Evan­ge­lium vor und alle hörten plötz­lich Worte, die wir vorher so nie wahr­ge­nommen hatten. Dass der Engel, der Jesu Aufer­ste­hung verkün­dete, aussah wie ein Blitz, hatten wir bis dahin alle über­hört. Noch mal singen und dann war sie da: rot, leuch­tend, kraft­voll – die Sonne! Ich musste an das Wort der Bischöfe denken, dass wir trotzdem kraft­voll Ostern feiern sollten.

Nachdem wir gesungen hatten, tönte es von der Bank herüber: zwei Trom­peten. Sie spielten „Christ ist erstanden“. Plötz­lich konnte ich sie ganz gut leiden, diese Menschen da auf „unserer“ Bank, die mit uns Ostern feierten, wer auch immer sie waren.

Der Herr ist wahr­haft aufer­standen! Halleluja!

von Ange­lika Berels

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