Liebe Leserinnen und Leser,
von den „Sieben Werken der Barmherzigkeit“ hat jeder von Ihnen sicherlich schon einmal gehört. Sie sind eine beispielhafte Aufzählung von Handlungen, in denen sich Nächstenliebe und Barmherzigkeit äußern. Die Siebte dieser christlichen Tugenden, mit der ich tagtäglich beruflich zu tun habe, ist das „Bestatten der Toten“.
Und das scheint sich von selbst zu verstehen: Fast immer ist den Hinterbliebenen eine liebevoll gestaltete Bestattung ein Herzensanliegen. Doch wie können wir jetzt unsere Verstorbenen auf dem letzten Gang begleiten, wo wir doch zuhause bleiben müssen? Wie können wir Anteilnahme zeigen, wo wir doch Abstand halten müssen?
Seit Corona hat sich Vieles verändert. Es gibt neue Regeln, an die wir uns halten müssen, Vorschriften, die beachtet werden müssen. Wir müssen lernen, mit vielen Einschränkungen umzugehen.
Zum Glück verläuft die Pandemie hier bei uns noch recht glimpflich. In anderen Ländern, wie in Italien, Spanien oder in den USA sieht das ganz anders aus:
Ende März sprach der Bischof von Bergama, Francesco Beschi, auf dem Friedhof von Bergamo ein Fürbitt-Gebet für die mehr als 1800 in Bergamo Verstorbenen und deren Angehörige, die sich nicht mehr verabschieden konnten. “Wir dürfen diejenigen nicht mit ihrem Schmerz alleine lassen, die sehen, wie ihre Lieben im Nichts verschwinden”, warnte der Bischof.
Und eine Reporterin berichtete von dort: „In Bergamo stirbt man alleine. Und alleine wird man beerdigt, während ein Priester den Sarg segnet, auf dem ein Handy liegt, damit die Familie zuhören kann.”
Zustände, die wir hier in Deutschland hoffentlich nie erleben werden. Und dennoch ist es ja zumindest ähnlich.
Es wirkt recht trostlos, wenn ich alleine mit meinen Mitarbeitern einen Sarg in aller Stille zu dem Grab bringe, wo dann später ein Abschiedsgottesdienst und die Beerdigung im Kreis der Nächsten unter freiem Himmel stattfindet. Keine Trauerfeier in der Friedhofshalle, kein letztes Geleit mit Glockengeläut, keine feierliche Verabschiedung mit der Möglichkeit für Außenstehende, daran teilzunehmen und so ihre Anteilnahme zu zeigen.
Sozusagen sang- und klanglos müssen unsere Verstorbenen im Moment auch hier bei uns bestattet werden. Das wirkt menschenunwürdig und pietätlos.
Aber vielleicht birgt das auch etwas Positives in sich. Es eröffnet sich ein neuer Blickwinkel auf das Abschiednehmen, auf den Tod. Durch die derzeitige Situation erfordert der Abschied im Tod eine ganz besondere, spezielle Art der Empathie und Kreativität von Geistlichen, Bestattern und betroffenen Angehörigen.
Von vielen Angehörigen habe ich gehört, dass die Zeichen des Mitgefühls und der Anteilnahme in dieser Zeit sehr viel intensiver, bewegender und auch tröstlicher wahrgenommen werden als zuvor.
Man merkt förmlich, dass das Gefühl von Gemeinschaft und Solidarität unerwartet ergreifender und ermutigender sein kann. Und das tut auch gut.
Dass Menschen liebevoll bestattet werden, ist nicht nur eine der sieben Tugenden der Barmherzigkeit. Es ist auch ganz konkret eine Erwartung, die Angehörige an die Seelsorgeteams und auch an uns Bestatter haben.
Mir scheinen unter den aktuellen Bedingungen zwei Aspekte besonders wichtig zu sein: Zum einen müssen Menschen auch jetzt Abschied nehmen können, also die Endgültigkeit des Abschiedes irgendwie erleben.
Und zweitens müssen die Hinterbliebenen spüren, dass sie nicht alleine sind. Auch – und vielleicht sogar gerade – in Zeiten von Corona gibt es Mitgefühl und Anteilnahme, auch, wenn die Hinterbliebenen vielleicht das Gefühl haben, ihre Verstorbenen würden der „letzten Ehre“ beraubt.
Thomas Alfes-Zeppenfeld