Liebe Leserinnen und Leser,
alle Jahre wieder sehen wir in den Krippenspielen die altbekannte Szene der Herbergssuche.
Wie aktuell dieses Thema immer noch ist, wurde mir in diesem Advent besonders bewusst.
Da war der Mitarbeiter meines Mannes, der in Leipzig einen Kunden besuchen wollte und wegen der Corona-Krise keinen Einlass in seinem gebuchten Hotel bekam. Erst mit einer Bescheinigung seines Vorgesetzten, dass es sich um eine Dienstreise handelt, konnte er sein Zimmer beziehen.
Da war meine Patentochter, die ihr Studium begonnen hat und ein Vierteljahr auf der Suche nach einem Zimmer war. Mehrere stundenlange Anfahrten, Bitten und Betteln bei den Vermietern, Mietbürgschaft hin oder her – die Nachfrage sei einfach zu groß und Studenten nehme man halt nicht so gerne.
Und da war unser Krippenspiel, das wir in diesem Jahr unter Corona-Schutzbedingungen draußen gefilmt haben. Für genau die Szene der Herbergssuche hatten wir uns auf einem Bauernhof in der Nähe von Olpe angemeldet. Alle Absprachen waren getroffen, aber am Tag selbst hatte es sich der Hausherr anders überlegt. Er wollte doch lieber seine Ruhe haben.
Da standen wir nun mit einer hochschwangeren Maria (mit Kissen unter dem Gewand) und einem ratlosen Josef an ihrer Seite. Und fühlten uns wie damals in Bethlehem. Glücklicherweise ist ein Nachbar eingesprungen und hat uns Tür und Tor geöffnet.
Herbergssuche 2020. Auch heute noch sind viele Menschen auf dieser Welt unterwegs und suchen Herberge. Auch heute noch viele Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, aus Afghanistan, vom Balkan, weil sie in ihrem Heimatland unter Krieg, Terror und Verfolgung leiden. Wie damals in Bethlehem gibt es auch heute noch Abweisungen, Ausgrenzungen.
Durch die Corona-Krise müssen auch viele Menschen draußen vor der Tür bleiben. Krankenhäuser und Altenheime haben Besuchsbeschränkungen, vor vielen Läden konnte man in den letzten Wochen Menschenschlangen beobachten. Und auch am bevorstehenden Weihnachtsfest dürfen wir zum Schutz der Gesundheit nicht wie gewohnt alle Verwandten oder Freunde besuchen.
Wenn man es genau bedenkt, hatte der Wirt damals triftige Gründe. Er war ausgebucht. Alle wollten zur Volkszählung und brauchten eine Unterkunft. Sein Haus war voll. Das ist verständlich. Man kann es ihm eigentlich nicht verübeln.
Vielleicht sollte es genau so sein: Jesus, der Sohn Gottes, kommt abgewiesen in einem Stall zur Welt. Er wird in eine Futterkrippe gelegt. Das ist ein Zeichen. Er, der Sohn Gottes, kommt gerade für die, die ausgegrenzt sind. Für diejenigen, die Hilfe brauchen. Er bringt Trost, Licht und neue Hoffnung.
Möge uns diese Hoffnung in dieser Zeit begleiten und die Frage, ob wir „ihn“ bei uns eintreten lassen, ob wir dem Kind in der Krippe eine Herberge geben in unseren Herzen.
Gerlind Kaptain