Jenseits der Stille wohnt Gott
Liebe Leserin, lieber Leser,
wie kommen Sie so durch den Tag? Laut oder eher leise?
Ich bin nicht so der leise Typ. Das Radio ist mein ständiger Begleiter. Morgens das erste, das ich einschalte und abends lasse ich mir noch im Bett ein Hörbuch vorlesen, das per Sleep-Timer ausgeht, wenn ich schon lange schlafe. Auch den Fernseher lasse ich bei monotonen Aufgaben gern laufen. Einige Beiträge höre ich bewusst, vieles läuft so nebenbei.
Ich kann mich eigentlich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal bewusst der Stille zugehört habe. Außer vielleicht manchmal in der Kirche. Kirchen, zumindest die kleinen, sind in unserer Zeit oft die letzten übrig gebliebenen Orte der Stille. Warum eigentlich? Warum hat man nicht schon längst angefangen auch hier leise Musik einzuspielen? Meditationsmusik oder gregorianische Gesänge würden sich doch anbieten.
Wahrscheinlich ist es gut, dass die Kirche ein stiller Ort ist. Denn aus der Bibel wissen wir, dass Gott oft in der Stille zu den Menschen gesprochen hat. Der Prophet Elija macht die Erfahrung, dass ein Feuer, ein Sturm und ein Erdbeben vorüberzogen, ohne dass Gott darin war. Gott kam zu ihm in einem leisen Säuseln, in einem Flüstern. Und der Prophet Samuel hört Gottes Stimme nachts im Tempel, als alles ganz still ist.
Gott möchte zu uns sprechen, doch wir können ihn oft nicht hören, weil wir von Hintergrundgeräuschen bewusst oder unbewusst abgelenkt werden. Unser Leben, unsere Zeit sind oft so voll, dass wir für die Stille keinen Platz haben. Und doch lohnt es sich die Stille zu suchen. Vielleicht sogar in der stillen, leeren Kirche. Es dauert vielleicht ein bisschen, bis wir uns an sie gewöhnt haben, sie aushalten können. In der Stille können wir uns selbst und unseren Gedanken begegnen. Und vielleicht begegnen wir auch Gott. Er wohnt jenseits der Stille. Er spricht zu uns in der Stille unseres Herzens.
Cornelia Clemens
(Drolshagen)