Mit dem Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit.
Wer am Aschermittwoch einen katholischen Gottesdienst besucht, bekommt ein Kreuz mit Asche auf die Stirn gezeichnet. Mit diesem Ritus beginnen Christen die 40-tägige Fastenzeit. Der Priester spricht während dieses Ritus: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehrst.“ Mit anderen Worten: Vergiss nicht, dass du sterben musst. Irgendwann ist es vorbei auf dieser Erde. Noch jeder Mensch musste sterben. Ewiges Leben mag ein schöner Gedanke sein, doch jedem muss klar sein: Selbst nach neunzig oder hundert Jahren ist es vorbei.
Was soll das? Das muntert nicht auf. Das erbaut nicht. Im Gegenteil: Es stößt vor den Kopf. Denn warum sollten wir uns mit dem Tod beschäftigen? Da er doch eine unausweichliche Tatsache ist, wird es wohl nicht besser, wenn man sich immer vor Augen hält, dass eines Tages auch unser Weg enden wird. Noch dazu: Es ist ja noch lange hin, bis wir sterben müssen. Gerade junge Menschen wissen, dass noch viele Jahre vor ihnen liegen. Grund genug, das Leben zu genießen.
Aber manchmal geht es schneller. Immer wieder sterben Menschen nicht im hohen Alter und nach langer Krankheit. Immer wieder sterben Menschen, die noch jung sind, immer wieder verlieren kleine Kinder ihre Eltern, immer wieder liest man, ein Mensch sei „viel zu früh“ gegangen. Autounfälle, Schlaganfälle, auch Selbstmorde — sie beenden ein Leben und verändern das der Angehörigen von Grund auf. Denn plötzlich merkt man, dass der Tod nicht nur ein fernes Ereignis ist, sondern tagtäglich, in jeder Sekunde in das Leben treten kann.
Wer sich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt, kann und darf den Tod nicht ignorieren. Und diese Frage stellt doch jeder einmal. Warum gibt es Leben auf der Welt? Wer bin ich, wohin bin ich unterwegs? Was ist ein gutes und erstrebenswertes Leben?
All diese Fragen beschäftigen sich eigentlich nicht mit dem Tod, sondern mit seinem Gegenteil, dem Leben. Aber dieses Leben ist begrenzt. Es kann nicht ewig so weitergehen. Und diese Tatsache verändert unser Leben. Es gibt den Tagen, die wir haben, einen Wert. Denn diese Tage lassen sich nicht unendlich wiederholen.
Wer sich schon einmal über eine verpasste Chance geärgert hat, weiß das. Diese Chance wird so nicht wiederkommen, sie ist passé. Das alles kann in die Verzweiflung führen. Welchen Sinn hat es dann, überhaupt zu leben?
Die Fastenzeit ist ein guter Anlass, über diesen Sachverhalt nachzudenken. Sie kann aber auch Ansporn sein. Sie kann dazu ermutigen, das Leben in die Hand zu nehmen. Wenn mir nicht unendlich viel Zeit bleibt, muss ich die Zeit nutzen, die ich habe – gut nutzen. Die antike Philosophie beschrieb das mit dem Satz „carpe diem“ — Genieße den Tag. Damit ist nicht gemeint, das Leben rücksichtslos und faul nur zu genießen. Es bedeutet, das Leben sinnvoll zu machen, es gut zu nutzen.
Das ist der Punkt, weshalb sich Christen am Aschermittwoch Asche auf den Kopf streuen. Nur im Angesicht des Todes hat die Fastenzeit einen Sinn. Nur wenn dieses Leben begrenzt ist, haben wir einen Grund dafür, das Leben hier und heute sinnvoll zu gestalten – andernfalls könnten wir getrost alles auf morgen verschieben. Aber es gibt den Tod, er ist eine Tatsache, die man nicht wegdiskutieren kann. Man sollte zwar nicht in depressive Trägheit versinken, aber sich doch bewusst sein, dass es irgendwann einmal – in siebzig Jahren oder morgen – ein Ende geben wird. Die Fastenzeit ist eine gute Gelegenheit, sich das einmal wieder bewusst zu machen. Und das Christentum hat auch ein gutes Rezept gegen die Verzweiflung. Denn die Fastenzeit endet letztlich mit Ostern, es ist eine lange Vorbereitung auf dieses Fest. An Ostern feiern Christen die Auferstehung Jesu und damit ein Leben, das nicht mehr endet.
Insofern wünsche ich Ihnen die Gelassenheit, das Leben zu genießen, es sinnvoll zu nutzen, wohl aber zu bedenken, dass es endlich ist. Geben Sie den Tagen, die noch verbleiben, einen Wert. Sie können sie nicht wiederholen.
Herzliche Grüße!
Thomas Alfes-Zeppenfeld
(Bestatter, Trauerredner)