Gedanken zum Tag — 17. Februar 2021, Aschermittwoch

17. Feb 2021

Mit dem Ascher­mitt­woch beginnt die Fastenzeit.

Wer am Ascher­mitt­woch einen katho­li­schen Gottes­dienst besucht, bekommt ein Kreuz mit Asche auf die Stirn gezeichnet. Mit diesem Ritus beginnen Christen die 40-tägige Fasten­zeit. Der Priester spricht während dieses Ritus: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurück­kehrst.“ Mit anderen Worten: Vergiss nicht, dass du sterben musst. Irgend­wann ist es vorbei auf dieser Erde. Noch jeder Mensch musste sterben. Ewiges Leben mag ein schöner Gedanke sein, doch jedem muss klar sein: Selbst nach neunzig oder hundert Jahren ist es vorbei.

Was soll das? Das muntert nicht auf. Das erbaut nicht. Im Gegen­teil: Es stößt vor den Kopf. Denn warum sollten wir uns mit dem Tod beschäf­tigen? Da er doch eine unaus­weich­liche Tatsache ist, wird es wohl nicht besser, wenn man sich immer vor Augen hält, dass eines Tages auch unser Weg enden wird. Noch dazu: Es ist ja noch lange hin, bis wir sterben müssen. Gerade junge Menschen wissen, dass noch viele Jahre vor ihnen liegen. Grund genug, das Leben zu genießen.

Aber manchmal geht es schneller. Immer wieder sterben Menschen nicht im hohen Alter und nach langer Krank­heit. Immer wieder sterben Menschen, die noch jung sind, immer wieder verlieren kleine Kinder ihre Eltern, immer wieder liest man, ein Mensch sei „viel zu früh“ gegangen. Auto­un­fälle, Schlag­an­fälle, auch Selbst­morde — sie beenden ein Leben und verän­dern das der Ange­hö­rigen von Grund auf. Denn plötz­lich merkt man, dass der Tod nicht nur ein fernes Ereignis ist, sondern tagtäg­lich, in jeder Sekunde in das Leben treten kann.

Wer sich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt, kann und darf den Tod nicht igno­rieren. Und diese Frage stellt doch jeder einmal. Warum gibt es Leben auf der Welt? Wer bin ich, wohin bin ich unter­wegs? Was ist ein gutes und erstre­bens­wertes Leben?

All diese Fragen beschäf­tigen sich eigent­lich nicht mit dem Tod, sondern mit seinem Gegen­teil, dem Leben. Aber dieses Leben ist begrenzt. Es kann nicht ewig so weiter­gehen. Und diese Tatsache verän­dert unser Leben. Es gibt den Tagen, die wir haben, einen Wert. Denn diese Tage lassen sich nicht unend­lich wiederholen.

Wer sich schon einmal über eine verpasste Chance geär­gert hat, weiß das. Diese Chance wird so nicht wieder­kommen, sie ist passé. Das alles kann in die Verzweif­lung führen. Welchen Sinn hat es dann, über­haupt zu leben?

Die Fasten­zeit ist ein guter Anlass, über diesen Sach­ver­halt nach­zu­denken. Sie kann aber auch Ansporn sein. Sie kann dazu ermu­tigen, das Leben in die Hand zu nehmen. Wenn mir nicht unend­lich viel Zeit bleibt, muss ich die Zeit nutzen, die ich habe – gut nutzen. Die antike Philo­so­phie beschrieb das mit dem Satz „carpe diem“ — Genieße den Tag. Damit ist nicht gemeint, das Leben rück­sichtslos und faul nur zu genießen. Es bedeutet, das Leben sinn­voll zu machen, es gut zu nutzen.

Das ist der Punkt, weshalb sich Christen am Ascher­mitt­woch Asche auf den Kopf streuen. Nur im Ange­sicht des Todes hat die Fasten­zeit einen Sinn. Nur wenn dieses Leben begrenzt ist, haben wir einen Grund dafür, das Leben hier und heute sinn­voll zu gestalten – andern­falls könnten wir getrost alles auf morgen verschieben. Aber es gibt den Tod, er ist eine Tatsache, die man nicht wegdis­ku­tieren kann. Man sollte zwar nicht in depres­sive Träg­heit versinken, aber sich doch bewusst sein, dass es irgend­wann einmal – in siebzig Jahren oder morgen – ein Ende geben wird. Die Fasten­zeit ist eine gute Gele­gen­heit, sich das einmal wieder bewusst zu machen. Und das Chris­tentum hat auch ein gutes Rezept gegen die Verzweif­lung. Denn die Fasten­zeit endet letzt­lich mit Ostern, es ist eine lange Vorbe­rei­tung auf dieses Fest. An Ostern feiern Christen die Aufer­ste­hung Jesu und damit ein Leben, das nicht mehr endet.

Inso­fern wünsche ich Ihnen die Gelas­sen­heit, das Leben zu genießen, es sinn­voll zu nutzen, wohl aber zu bedenken, dass es endlich ist. Geben Sie den Tagen, die noch verbleiben, einen Wert. Sie können sie nicht wiederholen.

Herz­liche Grüße!

Thomas Alfes-Zeppe­n­feld
(Bestatter, Trauerredner)

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