Advent – wir warten aufs Christkind. Wir warten auf die Ankunft von Jesus Christus. Als Kind schien einem die Adventszeit unfassbar lang. Als Erwachsener vergeht sie einem oft zu schnell.
Warten – das ist ein Prozess, den wir alle gut kennen. Tagtäglich warten wir auf etwas: Die Ankunft eines Pakets, wir warten auf einen wichtigen Termin oder Anruf, wir warten auf ein Wiedersehen, wir warten auf das Ergebnis des Coronatests, wir warten auf den Bus, wir warten auf das bestellte Essen, wir warten auf das Prüfungsergebnis, wir warten auf die Geburt eines Kindes.
Das Warten kann uns ungeduldig, nervös, freudig oder auch traurig machen.
Eine sehr existenzielle und neue Wartesituation musste ich im April dieses Jahres erleben. Meine Schwester, mein Vater, weitere Familienmitglieder und ich haben auf den Tod gewartet. Das mag jetzt makaber klingen, denn über den Tod wird oft lieber geschwiegen. Wir mussten uns damit auseinandersetzen. Ganz unmittelbar bei uns zu Hause. Wir warteten auf den Tod meiner Mutter, die voller Knochenmetastasen war. Die Hirnhäute waren ebenfalls befallen und sie war sozusagen „austherapiert“. Wir wollten ihr noch eine schöne „Wartezeit“ zu Hause ermöglichen, denn ihre Kräfte waren am Ende und sie war bereit zu gehen. Waren wir bereit sie loszulassen? Irgendwie schon, denn sie leiden zu sehen, brach uns das Herz. Irgendwie aber auch nicht, denn wir brauchten sie noch so sehr. Wir und ihre fünf Enkelkinder – ihr ganzer Stolz. Und trotzdem betete ich insgeheim, dass es schnell gehen möge. Ich betete für eine kurze Wartezeit auf den Tod. Wahrscheinlich wurden meine Gebete erhört, denn nach einer Woche kam er nachts still und leise. Der Tod war für meine Mutter eine Erlösung, doch die Wartezeit war kräftezehrend. Für alle Beteiligten.
Nun warten wir wieder auf das wohl schönste Fest im Jahr. Für meine Mutter war es das auf jeden Fall. Sie hat Weihnachten geliebt und es für uns Kinder Jahr für Jahr zu etwas Besonderem gemacht. Ich erinnere mich gerne an die Traditionen zu Hause und gebe sie nun ganz selbstverständlich an meine beiden Kinder weiter.
Wir warten aufs Christkind – auch in diesem Jahr. Auch ohne unsere geliebte Mama, Ehefrau und Oma. Am Heiligen Abend werden wir die Erinnerungskerze aus dem Krematorium anzünden und an sie denken. Ich bin mir sicher, dass sie bei uns ist. Nicht nur im Advent, nicht nur an Weihnachten, sondern jeden Tag.
Verena Sieler
(ehemaliges Gemeindemitglied aus Oberveischede, jetzt Heilig-Geist Olpe)