„Fluctuat nec mergitur“ – „Sie schwankt, aber geht nicht unter“. Liebe Leserinnen und Leser, so lautet der Wappenspruch der französischen Hauptstadt Paris. Er geht wohl ursprünglich auf Handelsschiffer zurück, die auf der Seine unterwegs waren.
Heute vor einem Jahr schwankte die Pariser Kathedrale Notre-Dame in einer heftigen Feuersbrunst. Der Dachstuhl brannte ab, der Vierungssturm stürzte ein. Die Frauen und Männer der Pariser Feuerwehr konnten, unter Einsatz ihres eigenen Lebens, die völlige Katastrophe, den kompletten Einsturz dieses weltberühmten Gotteshauses, im letzten Moment verhindern. Um die Welt gingen Bilder von Menschen, die fassungslos und erschüttert den Brand live in Paris mitverfolgten. Manche waren zu Tränen gerührt, andere beteten oder sangen Lieder. Weltweit wurde bedauert, dass in Notre-Dame keine Ostergottesdienste würden stattfinden können. Wer hätte ahnen können, dass ein Jahr später, überall auf der Welt, aus einem ganz anderen Grund, öffentliche Ostergottesdienste nicht stattfinden konnten.
Vieles ist in diesen Tagen ins Wanken geraten.
Im heutigen Tagesevangelium (Joh 20, 11–18) wankt Maria Magdalena. Sie hält den Auferstandenen für den Gärtner. Der Tod Jesu hat sie in ihrem Innersten erschüttert. Und nun ist auch noch der Leichnam Jesu verschwunden. Für Maria Magdalena zerbricht ihre Sicht auf die Welt. In ihr zerbrochenes Weltbild hinein spricht der Auferstandene Maria Magdalena direkt an, mit ihrem Namen. Er fordert sie nicht zum Glauben auf und er hält ihr auch keinen theologischen Vortrag über die Auferstehung, sondern sagt ganz einfach zu ihr: „Maria!“ Der ganz persönliche Ostermoment der Maria Magdalena. Diese Begegnung puzzelt ihr Leben nicht einfach wieder zusammen. Die Vergangenheit kommt nicht einfach zurück. Auch Jesus ist nicht einfach wieder da. Vielmehr begegnet er ihr als der Auferstandene. Neues Leben. Österliches Leben. Ein Neuanfang ist gesetzt. Die österliche Begegnung mit dem Auferstandenen ermöglicht auch Maria Magdalena einen Neuanfang. Sie spürt wieder festen Boden unter ihren Füßen. Sie muss nicht mehr wankend durchs Leben gehen. Sie ist zur Osterexpertin geworden, die die Osterbotschaft weitergeben kann.
In den letzten Tagen sind viele Menschen zu Osterexpertinnen und Osterexperten geworden. Wir haben anders als gewohnt Ostern feiern müssen. Diese Realität hat uns herausgefordert und sie fordert uns weiterhin. Sie hat dazu geführt, dass viele Menschen sich überlegt haben, wie sie die Kar- und Ostertage im Familienkreis nicht nur gemeinsam verbringen, sondern auch feiern können. Überall gab es Initiativen, um z.B. das Osterlicht zu verbreiten oder das neugeweihte Taufwasser zu verteilen. Ostern 2020 war anders, aber nicht weniger intensiv.
Pace e bene & frohe Ostern
Michael Kammradt