Gedanken zum Tag – 14. Juni 2020, 11. Sonntag im Jahreskreis

14. Juni 2020

Liebe Lese­rinnen und Leser,

um für den heutigen Sonntag planen zu können, haben viele von uns gewiss den aktu­ellen Wetter­be­richt studiert. Passend zum Wetter­be­richt habe ich einen geist­li­chen Impuls von Gott­hard Fuchs gefunden.

„Was früher Orakel waren, scheint heut­zu­tage der Wetter­be­richt zu sein. Auffällig oft jeden­falls kommt die Rede darauf – mit dem erstaun­li­chen Vertrauen zudem, genaue Vorher­sagen zu erhalten. Ob auch das Inter­esse mitspielt, auf Nummer sicher zu gehen und wenigs­tens ein kleines Stück Zukunft beherrschbar zu machen ? Die sprich­wört­li­chen Gespräche übers Wetter sind unver­fäng­lich und gerade für Schnup­per­phasen und Annä­he­rungs­ver­suche erste Schritte. Aber vermut­lich steckt doch mehr dahinter. Sonst wäre das Inter­esse an den neuesten Nach­richten nicht so alltags­prä­sent und erwar­tungs­voll. Ist es eine letzte Bastion des Unver­füg­baren ? Wenn jeden­falls unser­einer auf eigene Faust ins Klima eingreifen will, wird´s katastrophisch!

Wetter ist eben weit mehr als Meteo­ro­logie, die Luft­ströme und Wolken­bil­dungen analy­siert – das sensible Zusam­men­spiel von Erde und Himmel und allem dazwi­schen und darin. Bei all ihrer Genau­ig­keit erlebt sie frei­lich doch ständig Über­ra­schungen. Wie oft trifft die Wetter­vor­her­sage dann doch nicht zu! Wetter ist mehr als Wetter. Von Atmo­sphären spre­chen wir nicht zufällig im Mehr­fach­sinn. „Wetter­fühlig“ spüren wir genau, wo etwa dicke Luft herrscht und wo ein gutes Gesprächs­klima. „Witte­rung“ hat einen bezeich­nenden Doppel­sinn: sozu­sagen objektiv als Groß­wet­ter­lage in bestimmten Zeiten und Räumen – und subjektiv als das, was wir in der Nase haben und was in der Luft liegt. Da nehmen wir Witte­rung auf. Jedes „Donner­wetter“ in Bezie­hungen kann klären oder gefährden. Jedes Gewitter reinigt (…). Kein Wunder, dass man die Reli­gi­ons­ge­schichte als Wetter- und Witte­rungs­ge­schichte schreiben könnte. Blitz, Donner, Erdbeben und vor allem die Frucht­bar­keit waren Erfah­rungen numi­noser Über­wäl­ti­gung, die es reli­giös zu „bändigen“, kultisch zu gestalten galt. Wetter­segen oder Flur­pro­zes­sionen zeugen bis heute davon (…).

Auch der Gott Israels war ursprüng­lich ein Berg- und Wetter­gott. Noch in seinem unaus­sprech­li­chen Namen spielt das althe­bräi­sche Verb „wehen“ eine Rolle. In den Bergen der Naba­täer hatte er wohl seinen Regie­rungs­sitz, bevor er sich in erstaun­li­cher Beweg­lich­keit mit seinem Volk auf den Weg machte. Sein Marken­zei­chen aber blieb lange das Erscheinen in Blitz und Donner – bis Israel ihn als „Stimme eines verschwe­benden Schwei­gens“ entdeckte (1 Kön 19,12), als zärt­liche Inti­mität im Vorüber­gang nicht nur draußen, sondern mehr noch drinnen (…).

Dass man einen Wetter­be­richt wie ein Evan­ge­lium hört, ist also nicht zufällig. Wir wollen wohl wissen, was in der Luft liegt und was auf uns zukommt, und sind doch abhän­giger, als uns womög­lich lieb ist: einer größeren Wirk­lich­keit ganz gegen­über und doch ganz in ihr. Ob deshalb Jesus selbst dazu riet, auf die Wetter­lage zu achten (vgl. Lk 12,54ff) ?“

Aus: Fuchs, Gott­hard: Vom Gött­li­chen berührt. Mystik des Alltags. Frei­burg i. Brsg. 2017, S. 35–37.

Pace e bene
M. Kammradt

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