Gedanken zum Tag – 13. April 2020, Ostermontag

13. Apr. 2020

Die Jünger Jesu sind keine Über­men­schen. Sie verlassen die Heilige Stadt samt Tempel, denn Jeru­salem war für sie zu einem Ort der Kata­strophe geworden. Zwei von ihnen sind auf dem Weg in das sechzig Stadien, etwa 12 Kilo­meter, entfernte Dorf Emmaus (Lk 24,13–35). Der eine heißt Kleopas, seine Beglei­tung bleibt namenlos. „Die christ­liche Tradi­tion hat den Gefährten des Kleopas als einen Mann betrachtet. Weil der Evan­ge­list gerne einen Mann und eine Frau Seite an Seite darstellt (vgl. 1,5–38 und 15,3–10), hat er sich viel­leicht vorge­stellt, die zweite Person sei eine Frau gewesen.“ (Fran­çois Bovon)

Im Gespräch lassen die beiden die furcht­baren Augen­blicke der letzten Tage Revue passieren. Die harte Wirk­lich­keit des Karfrei­tags hat bei ihnen jede Hoff­nung zerstört. Mit Jesus sind ihre Wünsche und Zukunfts­vor­stel­lungen gekreu­zigt worden. Ein Abschnitt ihres Lebens wurde verge­bens gelebt. Mit Jesus wurde ihr bishe­riges Leben begraben: tot ist und bleibt tot.

Aus der Tradi­tion allein finden die furcht­baren Ereig­nisse keine über­zeu­gende Deutung. Jesus, der sich ihnen unbe­kannt auf dem Weg zuge­sellt, deutet die Schriften Israels, versucht, ihnen zu erschließen, dass der Karfreitag im Plan Gottes mit den Menschen einen Platz hat. Doch das alles passt nicht in ihre Vorstel­lungen. Sie sind es gewohnt, anders von Gott und seinem Handelns in der Welt zu denken. Dennoch ist da etwas mit dem Fremden, und so ergeht am Ziel des Weges die Einla­dung – nicht fast zufällig und beiläufig, sondern eher freund­lich-drän­gend: „Bleibe bei uns, denn es wird Abend, der Tag hat sich schon geneigt.“

Beim Mahl erkennen dann die beiden, was ihnen bislang verschlossen war. Der, den sie einge­laden haben, wird zum Gast­geber. Er nimmt Brot, dankt, bricht das Brot und gibt es ihnen. Das haben sie häufig mit Jesus erlebt. So hat er die wunder­bare Spei­sung der Fünf­tau­send begonnen (Lk 9,16), und so hat er im Abend­mahls­saal mit seinen Jüngern Mahl gehalten (Lk 22,19). Augen­blick­lich stellt sich bei ihnen ein vertrautes Bild ein: Jesus hält mit seinen Jüngern Mahl. Das hat er zu seinen Lebzeiten getan, das ist in seinem Tod nicht abge­rissen, es wurde nur unter­bro­chen. Der gekreu­zigte Jesus lebt.

Das Zeugnis der Frauen am Oster­morgen erweist sich als wahr (Lk 24,9–11) und die beiden erkennen in der Kraft der Mahl­ge­mein­schaft, dass ihnen bereits unter­wegs während des Gesprächs mit Jesus und seiner Schrift­aus­le­gung das Herz brannte. Auch nach dem Karfreitag gibt es Jesus­ge­mein­schaft und Jesus­nach­folge. In der Chris­ten­ge­meinde wird das in der Feier mit Brot und Wein erlebt, denn in ihr gibt sich Jesus als der Lebende und Leben­dige zu erkennen. Das Brot nehmen, danken, das Brot teilen: Wie in einem Brenn­glas verdichtet sich in dieser Hand­lung Jesu Lebens­stil: Sich geben für andere, sich in seiner Liebe verströmen, Brot werden: einer nährt den andern.

Warum bleibt der das Brot brechende Jesus nicht? Jesu Licht brennt in dieser Welt allein mit dem Öl unseres Lebens. Als Gast­geber reicht er uns Brot und Wein, damit wir mit ihm die Gast­freund­schaft des Alltäg­li­chen lernen, lieben lernen und leben.

Prof. Dr. Wolf­gang Werner

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