Gedanken zum Tag — 10. Juli 2022 — 15. Sonntag im Jahreskreis

10. Juli 2022

„Papa, stell dich darauf ein, dass es bei uns laut und chao­tisch ist“, so die Vorwar­nung meines jüngsten Sohnes, als ich Ende April die sechs­wö­chige Reise zu ihm nach Austra­lien ange­treten habe. Er arbeitet dort seit mehreren Jahren und lebt hier mit seiner Familie, in der drei muntere kleine Kinder aufwachsen. Zwei von ihnen sind dort geboren, so dass ich sie bisher nur über Fotos und Videos habe sehen können.

Auch wenn diese digi­talen Möglich­keiten Kommu­ni­ka­tionen rund um den Globus in Sekun­den­schnelle möglich machen, so sind sie mit der Tiefen­di­men­sion, die in der persön­li­chen Begeg­nung entsteht, nicht vergleichbar. Und genau das durfte ich in dieser Zeit erleben. Die zuvor gese­henen Fotos und Videos waren äußere Eindrücke mit einem kleinen Vorge­schmack, ja. Aber hier vor Ort war es eben doch ganz anders: Der direkte Blick­kon­takt, das haut­nahe Mitein­ander, viele Aktionen und Reak­tionen, die einen inneren Zugang erst möglich machten.

Und dazu gehört bei Kindern auch eine gewisse Laut­stärke. Da entsteht Durch­ein­ander. Spielen, Toben, Lachen und Weinen bringen dies mit sich. Aber bei diesen Inter­ak­tionen konnte ich Nähe aufbauen. Da ist ein Bezie­hungs­ge­flecht entstanden, das von außen nach innen gewachsen ist. Es waren sechs turbu­lente, aber äußerst inten­sive und wohl­tu­ende Wochen.

Mit welch einem Geschenk ich in dieser Zeit bedacht worden bin, das wird mir auch beim heutigen Sonn­tags­evan­ge­lium noch einmal sehr bewusst in der Frage: „Wer ist mein Nächster?“ In ihr erkenne ich zudem die Auffor­de­rung, dass ich mir diese Frage bei jeder Begeg­nung, wo und wie auch immer sie statt­findet, tagtäg­lich neu stellen muss.

Auch Ihnen wünsche ich das Geschenk wert­voller Begeg­nungen. Es wartet schon auf Sie.

Ihr Josef Weil
(Diakon)

Leser interessierten sich auch für:

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner