„Papa, stell dich darauf ein, dass es bei uns laut und chaotisch ist“, so die Vorwarnung meines jüngsten Sohnes, als ich Ende April die sechswöchige Reise zu ihm nach Australien angetreten habe. Er arbeitet dort seit mehreren Jahren und lebt hier mit seiner Familie, in der drei muntere kleine Kinder aufwachsen. Zwei von ihnen sind dort geboren, so dass ich sie bisher nur über Fotos und Videos habe sehen können.
Auch wenn diese digitalen Möglichkeiten Kommunikationen rund um den Globus in Sekundenschnelle möglich machen, so sind sie mit der Tiefendimension, die in der persönlichen Begegnung entsteht, nicht vergleichbar. Und genau das durfte ich in dieser Zeit erleben. Die zuvor gesehenen Fotos und Videos waren äußere Eindrücke mit einem kleinen Vorgeschmack, ja. Aber hier vor Ort war es eben doch ganz anders: Der direkte Blickkontakt, das hautnahe Miteinander, viele Aktionen und Reaktionen, die einen inneren Zugang erst möglich machten.
Und dazu gehört bei Kindern auch eine gewisse Lautstärke. Da entsteht Durcheinander. Spielen, Toben, Lachen und Weinen bringen dies mit sich. Aber bei diesen Interaktionen konnte ich Nähe aufbauen. Da ist ein Beziehungsgeflecht entstanden, das von außen nach innen gewachsen ist. Es waren sechs turbulente, aber äußerst intensive und wohltuende Wochen.
Mit welch einem Geschenk ich in dieser Zeit bedacht worden bin, das wird mir auch beim heutigen Sonntagsevangelium noch einmal sehr bewusst in der Frage: „Wer ist mein Nächster?“ In ihr erkenne ich zudem die Aufforderung, dass ich mir diese Frage bei jeder Begegnung, wo und wie auch immer sie stattfindet, tagtäglich neu stellen muss.
Auch Ihnen wünsche ich das Geschenk wertvoller Begegnungen. Es wartet schon auf Sie.
Ihr Josef Weil
(Diakon)