Veränderung der Sicht auf das Leben
Wie ergeht es jemandem, der sich nach Jahrzehnten der Berufstätigkeit in den Ruhestand verabschiedet?
Ist es ein Loslassen und Abgeben nach dem Motto “Endlich”, “Gott sei Dank”? Fernab von Terminen und Getaktetsein. Oder machen sich Gedanken breit “Oh je, was soll ich jetzt tun? Wie gestalte ich meinen Alltag? Was mache ich mit Freiräumen, die mir geschenkt sind und nun auf vielfältige Weise zur Verfügung stehen?”.
Ich habe den Schritt ins Rentendasein vor mehr als drei Jahren gemacht und die Wandlung ins “andere Leben” vollzogen.
Rückblickend habe ich verschiedene Etappen durchlebt. Zunächst war ich froh und erleichtert, das Berufsleben hinter mir lassen zu dürfen und zu können.
Dann hat sich Aktionismus breit gemacht, ich müsste und könnte doch irgendetwas tun. Interessen verschiedenster Art sind vorhanden. Ich könnte in mir schlummernde Fähigkeiten wachrufen. Ehrenamt – das wär’s doch. Seniorenarbeit, Hospizarbeit, Schulmaterialienkammer, einfach ausprobieren – Computer ade.
Mehr Radfahren, Gartenarbeit, Singen, Musizieren, Fotobücher erstellen, Wandern in der Natur, mehr Zeit für einen Plausch mit dem Nachbarn, Gemeinschaft mit dem Partner leben. Besuch von Gottesdiensten abseits vom Gewohnten.
Fremdsprachen lernen, Russisch, Arabisch – Eintauchen in andere Welten. Sprachkurs in Frankreich – auf welchem Niveau bewege ich mich noch? Kann ich mithalten? Ja — hat sich gut angefühlt.
Das war alles wie ein Aufbäumen vor der Ruhe. Anschließend gewann völlige Erschöpfung die Oberhand. Die Signale meines Körpers waren unüberhörbar.
Die Zeit hat mich gelehrt, dass Abschalten, Pausen, Ruhe und Stille, Lesen eines Buches, das ich in den Händen halte, den Blick auf mein Inneres lenken können und die Gedanken frei machen. Zwiesprache mit Gott halten. Dankbarkeit. Den Blick auf mein Gegenüber lenken. Über den Tellerrand schauen. Klar Schiff machen, Ballast abwerfen. Mut und Wille zur Langeweile. Kreativität erwächst wie eine kleine Pflanze.
Mittlerweile bin ich gänzlich in der neuen Lebenssituation angekommen und fühle mich wohl.
Jeder Tag ist ein besonderes Geschenk. Immer aber auch mit realistischem Blick darauf, dass sich Situationen plötzlich ändern können. Hierfür gebe ich mich dann in Gottes Hand.
Helga Gockel
aus Bad Lippspringe/Olpe
Noch ein Hinweis in eigener Sache:
Jetzt in der Urlaubszeit suchen wir verstärkt Autoren für unsere „Gedanken zum Tag“. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch passende „Gedanken“ haben, „trauen Sie sich, diese Gedanken aufzuschreiben“ und uns unter gedankenzumtag@gmx.de zu schicken. Vielen Dank!