Gedanken zum Tag — 10. April 2022 — Palmsonntag

10. Apr. 2022

Am Palm­sonntag beginnen wir die Karwoche mit dem Evan­ge­lium vom Einzug Jesus in Jeru­salem. Die Segnung der Palm­zweige und die dazu­ge­hö­rige Prozes­sion sind Tradi­tion und uns Christen wichtig. Wir hören das Evan­ge­lium und haben viel­leicht Bilder im Kopf: Von uns selbst mit Palm­zweigen in der Hand. Oder wir denken an Bilder aus Kinder­bi­beln oder Filmen. Wir haben viel­leicht den Liedruf „Hosanna, dem Sohne Davids“ im Ohr. Palm­sonntag und dieser Jubel gehören zusammen.

Jubel – so richtig passt das aber nicht in diese Woche. Angst und Sorgen stehen im Vorder­grund. Gesell­schaft­lich, poli­tisch und auch kirch­lich. Der Krieg in der Ukraine, Klima­wandel, Corona-Pandemie, der Miss­brauchs­skandal in der Kirche und die damit verbun­denen Austritte von vielen enttäuschten Menschen.

Jubel passt da gerade nicht. Die Texte am Palm­sonntag bleiben aber nicht beim Jubel und der Vereh­rung stehen. In der darauf­fol­genden Passi­ons­ge­schichte lesen wir von Jesus Leiden und seinem Tod am Kreuz. Er, der nach Jeru­salem einzieht, wird auch das Kreuz nach Golgotha tragen, gekreu­zigt und begraben werden. In diesem Weg finde ich schon eher meine Sorgen und Bedenken wieder. Die Jünger gehen diesen Weg mit. Nach der Über­lie­fe­rung redet Jesus an zahl­rei­chen Stellen von seinem bevor­ste­henden Tod. Die Jünger können und wollen ihm aber nicht glauben.
Etwas hören und nicht glauben können, dass es passieren wird….

In den letzten zwei Jahren haben wir das mit vielen Dingen erlebt: Die Maßnahmen in der Pandemie, der Ausbruch eines Krieges in Europa, die Auswir­kungen der Klima­krise. Kein Grund zum Jubel also…
Warum aber jubeln dann in der Bibel­stelle die Jünger und die Leute? Warum legen sie Kleider auf den Weg und streuen Zweige aus? Span­nend ist, dass das „Hosanna“ aus dem Psalm 118 kommt, Vers 25 und 26: „Ach, Herr, hilf doch! Ach, Herr, gib doch Gelingen! Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn.“

Hosanna bedeutet ursprüng­lich: „Bring doch Hilfe!“ Es ist also demnach auch ein Bitt- und Hilferuf. „Ach, Herr, hilf doch“ so können wir – genauso wie die Menschen zur Zeit Jesu — diesen Ruf verstehen.
Gerade in diesen Tagen erlebe ich Vieles, was mir Angst und Sorgen macht, was mich nicht loslässt oder mich ständig beschäf­tigt. Gleich­zeitig merke ich, dass mir dieses ewige Gedan­ken­kreisen nicht guttut. Dann versuche ich, mit einem kurzen Gebet all das Gott anzu­ver­trauen. Beim Einatmen bete ich still „Jesus Christus“ und beim Ausatmen „erbarme dich“. So gelingt es mir, das, was mich beschäf­tigt, loszu­lassen und meine eigenen Gedanken zu unter­bre­chen. In den Jubel „Hosanna dem Sohne Davids“, den ich mit dem Palm­sonntag verbinde, kann ich als Bittruf heute jeden­falls sehr gut einstimmen. Und die geseg­neten Palm­zweige schenken mir Hoff­nung und Zuversicht.

Ich wünsche ihnen einen schönen Palm­sonntag und eine geseg­nete Karwoche.

Ihre Gerlind Kaptain
(Gemein­de­re­fe­rentin)

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