Gedanken zum Tag — 05. Dezember 2021, 2. Advent

5. Dez. 2021

Wussten Sie, dass 2021 das Fest­jahr zu „1700 Jahre jüdi­sches Leben in Deutsch­land“ ist.

Als Lehrerin in Atten­dorn bin ich durch die bemer­kens­werte Initia­tive „Jüdisch in Atten­dorn“ noch wach­samer für dieses Thema geworden. Eine ökume­ni­sche Kampagne „bezie­hungs­weise – jüdisch und christ­lich: näher als du denkst“ regt derzeit dazu an, die enge Verbun­den­heit des Chris­ten­tums mit dem Judentum wahr­zu­nehmen. Im Blick auf die Feste wird die Verwur­ze­lung des Chris­ten­tums im Judentum deut­lich. Mit dem Stich­wort „bezie­hungs­weise“ wird der Blick auf die aktuell gelebte jüdi­sche Praxis in ihrer viel­fäl­tigen Ausprä­gung gelenkt. Leider finden wir uns derzeit in einer gesell­schaft­li­chen Situa­tion wieder, die durch ein Erstarken von Anti­se­mi­tismus und weiterer Formen grup­pen­be­zo­gener Menschen­feind­lich­keit geprägt ist. Über­griffe gegen jüdi­sche Bürge­rinnen und Bürger, Hetze und Verschwö­rungs­my­then in den Sozialen Medien nehmen zu.

In der dunklen Jahres­zeit feiern unsere jüdi­schen Geschwister ein Lich­ter­fest. Es heißt “Chanukka” und wird auch “Lich­ter­fest” genannt, weil ein acht­ar­miger Leuchter eine wich­tige Rolle spielt. Während des jüdi­schen Festes Chanukka wird jeden Tag eine Kerze mehr am Chanukkia-Leuchter ange­zündet. Die Chanukkia besitzt acht oder neun Arme oder Lich­ter­halter, wobei die neunte Halte­rung für die Kerze in der Mitte als „Diener“ bezeichnet wird. Mit dieser nicht zählenden Kerze werden die anderen Kerzen ange­zündet, verbunden mit reichen Segensworten.

Das Lich­ter­fest Chanukka feiert die Wieder­ein­wei­hung des zweiten Jüdi­schen Tempels in Jeru­salem. Diesen hatten jüdi­sche Aufstän­di­sche, die Makka­bäer, im Jahr 164 vor unserer Zeit­rech­nung von den helle­nis­ti­schen Herr­schenden zurückerobert.

Im jüdi­schen Talmud wird erzählt, dass im zerstörten Tempel ein einziges Känn­chen Öl gefunden wurde, das den Tempel­leuchter nur einen Tag lang hätte erleuchten können. Auf wunder­same Weise reichte es jedoch acht Tage und Nächte lang aus. So lange, wie man braucht, um neues Öl herzu­stellen. Ein Licht­wunder! Seither werden beim winter­li­chen Chanukka-Fest an acht Abenden die Chanukka-Lichter entzündet. Der Sieg einer kleinen Gruppe von Wider­stands­kämp­fern gegen eine über­mäch­tige Armee wurde im Laufe der Jahr­hun­derte zur Legende, die das Zusam­men­ge­hö­rig­keits­ge­fühl stärkte, Mut machte und an Wunder glauben ließ.

Chanukka ist ein fröh­li­ches Fest zu Hause im Kreis von Familie oder Freunden. Bei Einbruch der Dunkel­heit werden die Kerzen ange­zündet und ein Segen gespro­chen, Die Chanukkia steht dann gut sichtbar vor dem Haus oder im Fenster. Die Kinder bekommen Geschenke. Zudem gibt es tradi­tio­nelle Chanukka-Lieder und sogar ein Chanukka-Spiel, das Dreidel-Spiel, ein Kreisel-Spiel.

Um an die beson­dere Rolle des Öls beim Chanukka-Wunder zu erin­nern, wird gerne in Öl Ausge­ba­ckenes gegessen, z.B. Latkes genannte Kartof­fel­puffer oder Sufga­niot, eine Art Krapfen.

In den letzten Jahren wurden zusätz­lich große Chanuk­ka­leuchter in der Öffent­lich­keit aufge­stellt. So steht ein solcher Leuchter in Berlin direkt vor dem Bran­den­burger Tor, wo Bundes­prä­si­dent Stein­meier letztes Jahr den Scha­masch, die beschrie­bene “Diener”-Kerze, entzünden durfte.

Auch in NRW, z.B. in Düssel­dorf werden öffent­lich Chanuk­ka­leuchter aufge­stellt und entzündet; auch vor dem Weißen Haus in Washington, nahe dem Big Ben in London und auf dem Roten Platz in Moskau. Sie stehen für ein leben­diges Judentum, das die Botschaft des Licht­wun­ders verkündet: Es gibt Hoff­nung — auch in dunkelster Zeit. Gott zeigt sich in den Wundern des Lebens. Hoff­nung, die immer wieder neu entzündet wird! Wenn ich heute die zweite Kerze unseres Advents­ka­len­ders anzünde, erfreue ich mich auch über die über Grenzen hinaus­ge­hende Verbun­den­heit der Lichtsymbolik.

Dein Licht kommt, Gott, und wir machen uns auf – dir entgegen.
Dein Licht kommt, Gott, und in unseren Herzen wird es hell.
Dein Licht kommt, Gott, und das Leben fängt an zu leuchten.
Dein Licht kommt, Gott, und wir werden selbst zum Licht für andere.
Darauf lass uns vertrauen durch unseren Bruder und Heiland Jesus Christus.
Amen.

Raphaele Voß

(Gemein­de­mit­glied)

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