Wussten Sie, dass 2021 das Festjahr zu „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ ist.
Als Lehrerin in Attendorn bin ich durch die bemerkenswerte Initiative „Jüdisch in Attendorn“ noch wachsamer für dieses Thema geworden. Eine ökumenische Kampagne „beziehungsweise – jüdisch und christlich: näher als du denkst“ regt derzeit dazu an, die enge Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum wahrzunehmen. Im Blick auf die Feste wird die Verwurzelung des Christentums im Judentum deutlich. Mit dem Stichwort „beziehungsweise“ wird der Blick auf die aktuell gelebte jüdische Praxis in ihrer vielfältigen Ausprägung gelenkt. Leider finden wir uns derzeit in einer gesellschaftlichen Situation wieder, die durch ein Erstarken von Antisemitismus und weiterer Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geprägt ist. Übergriffe gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger, Hetze und Verschwörungsmythen in den Sozialen Medien nehmen zu.
In der dunklen Jahreszeit feiern unsere jüdischen Geschwister ein Lichterfest. Es heißt “Chanukka” und wird auch “Lichterfest” genannt, weil ein achtarmiger Leuchter eine wichtige Rolle spielt. Während des jüdischen Festes Chanukka wird jeden Tag eine Kerze mehr am Chanukkia-Leuchter angezündet. Die Chanukkia besitzt acht oder neun Arme oder Lichterhalter, wobei die neunte Halterung für die Kerze in der Mitte als „Diener“ bezeichnet wird. Mit dieser nicht zählenden Kerze werden die anderen Kerzen angezündet, verbunden mit reichen Segensworten.
Das Lichterfest Chanukka feiert die Wiedereinweihung des zweiten Jüdischen Tempels in Jerusalem. Diesen hatten jüdische Aufständische, die Makkabäer, im Jahr 164 vor unserer Zeitrechnung von den hellenistischen Herrschenden zurückerobert.
Im jüdischen Talmud wird erzählt, dass im zerstörten Tempel ein einziges Kännchen Öl gefunden wurde, das den Tempelleuchter nur einen Tag lang hätte erleuchten können. Auf wundersame Weise reichte es jedoch acht Tage und Nächte lang aus. So lange, wie man braucht, um neues Öl herzustellen. Ein Lichtwunder! Seither werden beim winterlichen Chanukka-Fest an acht Abenden die Chanukka-Lichter entzündet. Der Sieg einer kleinen Gruppe von Widerstandskämpfern gegen eine übermächtige Armee wurde im Laufe der Jahrhunderte zur Legende, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkte, Mut machte und an Wunder glauben ließ.
Chanukka ist ein fröhliches Fest zu Hause im Kreis von Familie oder Freunden. Bei Einbruch der Dunkelheit werden die Kerzen angezündet und ein Segen gesprochen, Die Chanukkia steht dann gut sichtbar vor dem Haus oder im Fenster. Die Kinder bekommen Geschenke. Zudem gibt es traditionelle Chanukka-Lieder und sogar ein Chanukka-Spiel, das Dreidel-Spiel, ein Kreisel-Spiel.
Um an die besondere Rolle des Öls beim Chanukka-Wunder zu erinnern, wird gerne in Öl Ausgebackenes gegessen, z.B. Latkes genannte Kartoffelpuffer oder Sufganiot, eine Art Krapfen.
In den letzten Jahren wurden zusätzlich große Chanukkaleuchter in der Öffentlichkeit aufgestellt. So steht ein solcher Leuchter in Berlin direkt vor dem Brandenburger Tor, wo Bundespräsident Steinmeier letztes Jahr den Schamasch, die beschriebene “Diener”-Kerze, entzünden durfte.
Auch in NRW, z.B. in Düsseldorf werden öffentlich Chanukkaleuchter aufgestellt und entzündet; auch vor dem Weißen Haus in Washington, nahe dem Big Ben in London und auf dem Roten Platz in Moskau. Sie stehen für ein lebendiges Judentum, das die Botschaft des Lichtwunders verkündet: Es gibt Hoffnung — auch in dunkelster Zeit. Gott zeigt sich in den Wundern des Lebens. Hoffnung, die immer wieder neu entzündet wird! Wenn ich heute die zweite Kerze unseres Adventskalenders anzünde, erfreue ich mich auch über die über Grenzen hinausgehende Verbundenheit der Lichtsymbolik.
Dein Licht kommt, Gott, und wir machen uns auf – dir entgegen.
Dein Licht kommt, Gott, und in unseren Herzen wird es hell.
Dein Licht kommt, Gott, und das Leben fängt an zu leuchten.
Dein Licht kommt, Gott, und wir werden selbst zum Licht für andere.
Darauf lass uns vertrauen durch unseren Bruder und Heiland Jesus Christus.
Amen.
Raphaele Voß
(Gemeindemitglied)