Gedanken zum Tag – 01. Juli 2020, Mitt­woch der 13. Woche im Jahreskreis

1. Juli 2020

Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan

Liebe Lese­rinnen und Leser,

jetzt ist es ja nicht schwer „ein Fremder“ zu sein. Es muss nicht gleich ein anderer Konti­nent sein, ein Studium in der Groß­stadt oder ein Wohn­ort­wechsel. Ein Versuch beim Mitbe­werber des Lieb­lings-Gastro­nomen reicht ja schon mal aus. In Zeiten von Corona auch noch viel weniger.

Wie sich das anfühlt, wenn es kein selbst­ge­wähltes Aben­teuer ist? Das lässt sich bei Menschen erfahren, die im Februar in Öster­reich Skifahren waren oder derzeit im Kreis Gütersloh wohnen. Das Fremde und Gegen­ein­ander geht schnell so weit, dass ein Landes­vater vor der Stig­ma­ti­sie­rung der Bewohner eines Land­kreises warnt und schreibt: „Als in Ischgl mal etwas passiert ist, haben wir nicht eine Reise­war­nung für ganz Öster­reich ausge­spro­chen.“ Schnell möchte man da ja nicht mit über einen Kamm geschoren werden. Dann muss auch mal eine ausge­druckte Karte von Nord­rhein-West­falen mit der markierten Distanz des eigenen Wohn­ortes von Gütersloh für den fremden Zöllner ausreichen.

Zugleich spielt sich dieser moderne Aussatz im eben­falls modernen Kontext der „rela­tiven Wahr­heit“ ab. Zwar gibt es allen Grund, stolz zu sein über den erreichten Erfolg. Als Gesell­schaft haben wir Leid und Tod in einem Ausmaß verhin­dert, um das uns viele andere Länder beneiden können. Selbst das viel geprie­sene und gern zitierte Beispiel Schwe­dens muss sich fragen lassen, ob der Erhalt der Frei­heit und Verant­wor­tung des Einzelnen den erlit­tenen Schaden wert war. Und zugleich spüren wir die schweren Verluste für eine tradi­tio­nelle Export- und Maschi­nenbau-Nation weniger als wiederum andere das tun. Dennoch haben Rela­ti­vie­rungen und Grippe-Vergleiche Mode, und sogar die ersten Impf­gegner feiern wieder Feste. Das Wort von den Panik­ma­chern und Über­trei­bern macht die Runde, ebenso wie die Wut über Vorschriften und erho­bene Zeige­finger und das Unver­ständnis für das Zusam­men­spiel aus Wissen­schaft, Politik und Moral.

Aber nur einen Kontakt später kann das Stigma des Infek­tiösen auch den vermeint­lich Unbe­schol­tenen treffen. Wo die Güters­loher nicht in einen Topf mit Lohn­ar­bei­tern eines Fleisch­be­triebes geworfen werden wollen, da können es als nächstes Eisver­käufer oder Floristen sein, mit denen man nichts zu tun haben will.

Am Flug­hafen Frank­furt gibt es jetzt den schnellen Corona-Test in unter zwei Stunden für unter 150 Euro. Schön, dass so schnell zumin­dest die eigene „Unschuld“ bewiesen ist. Und ein Mund­schutz schützt vor Über­tra­gung. Wenn es mit allen Ausgren­zungen nur so einfach wäre.

Dr. Matthias Danz, St.-Martinus-Hospital Olpe

Hinweis:
Am kommenden Donnerstag, Freitag und Samstag werden Sie hier – entgegen dem neuen Rhythmus — Tages­im­pulse finden. Es sind die der Werlwallfahrt.
Die fällt dieses Jahr wegen Corona aus. Eine kleine private Gruppe von acht Leuten geht sie aber stell­ver­tre­tend und hält die Fahne hoch. Und sie lädt Sie dazu ein, sich in Gedanken mit auf den Weg zu machen.

Am Sonntag findet dann um 16.00 Uhr in der Pfarr­kirche St. Martinus die Schluss­an­dacht statt.

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