Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan
Liebe Leserinnen und Leser,
jetzt ist es ja nicht schwer „ein Fremder“ zu sein. Es muss nicht gleich ein anderer Kontinent sein, ein Studium in der Großstadt oder ein Wohnortwechsel. Ein Versuch beim Mitbewerber des Lieblings-Gastronomen reicht ja schon mal aus. In Zeiten von Corona auch noch viel weniger.
Wie sich das anfühlt, wenn es kein selbstgewähltes Abenteuer ist? Das lässt sich bei Menschen erfahren, die im Februar in Österreich Skifahren waren oder derzeit im Kreis Gütersloh wohnen. Das Fremde und Gegeneinander geht schnell so weit, dass ein Landesvater vor der Stigmatisierung der Bewohner eines Landkreises warnt und schreibt: „Als in Ischgl mal etwas passiert ist, haben wir nicht eine Reisewarnung für ganz Österreich ausgesprochen.“ Schnell möchte man da ja nicht mit über einen Kamm geschoren werden. Dann muss auch mal eine ausgedruckte Karte von Nordrhein-Westfalen mit der markierten Distanz des eigenen Wohnortes von Gütersloh für den fremden Zöllner ausreichen.
Zugleich spielt sich dieser moderne Aussatz im ebenfalls modernen Kontext der „relativen Wahrheit“ ab. Zwar gibt es allen Grund, stolz zu sein über den erreichten Erfolg. Als Gesellschaft haben wir Leid und Tod in einem Ausmaß verhindert, um das uns viele andere Länder beneiden können. Selbst das viel gepriesene und gern zitierte Beispiel Schwedens muss sich fragen lassen, ob der Erhalt der Freiheit und Verantwortung des Einzelnen den erlittenen Schaden wert war. Und zugleich spüren wir die schweren Verluste für eine traditionelle Export- und Maschinenbau-Nation weniger als wiederum andere das tun. Dennoch haben Relativierungen und Grippe-Vergleiche Mode, und sogar die ersten Impfgegner feiern wieder Feste. Das Wort von den Panikmachern und Übertreibern macht die Runde, ebenso wie die Wut über Vorschriften und erhobene Zeigefinger und das Unverständnis für das Zusammenspiel aus Wissenschaft, Politik und Moral.
Aber nur einen Kontakt später kann das Stigma des Infektiösen auch den vermeintlich Unbescholtenen treffen. Wo die Gütersloher nicht in einen Topf mit Lohnarbeitern eines Fleischbetriebes geworfen werden wollen, da können es als nächstes Eisverkäufer oder Floristen sein, mit denen man nichts zu tun haben will.
Am Flughafen Frankfurt gibt es jetzt den schnellen Corona-Test in unter zwei Stunden für unter 150 Euro. Schön, dass so schnell zumindest die eigene „Unschuld“ bewiesen ist. Und ein Mundschutz schützt vor Übertragung. Wenn es mit allen Ausgrenzungen nur so einfach wäre.
Dr. Matthias Danz, St.-Martinus-Hospital Olpe
Hinweis:
Am kommenden Donnerstag, Freitag und Samstag werden Sie hier – entgegen dem neuen Rhythmus — Tagesimpulse finden. Es sind die der Werlwallfahrt.
Die fällt dieses Jahr wegen Corona aus. Eine kleine private Gruppe von acht Leuten geht sie aber stellvertretend und hält die Fahne hoch. Und sie lädt Sie dazu ein, sich in Gedanken mit auf den Weg zu machen.
Am Sonntag findet dann um 16.00 Uhr in der Pfarrkirche St. Martinus die Schlussandacht statt.