Was von Papst Franziskus bleibt
Bei einem Besuch in einer römischen Pfarrei trat ein kleiner Junge namens Emanuele an Papst Franziskus heran und flüsterte ihm unter Tränen eine Frage ins Ohr. Sein Vater war kürzlich gestorben, und er wusste nicht, ob er im Himmel sei. Der Vater sei nicht gläubig gewesen, habe aber seine Kinder taufen lassen. Papst Franziskus tröstete ihn: „Gott war sicherlich stolz auf deinen Vater, weil es für einen Gläubigen sehr einfach ist, seine Kinder taufen zu lassen; für einen Nichtgläubigen ist es das nicht. Und das hat Gott sicherlich sehr gefallen. Sprich mit deinem Vater, bete zu deinem Vater. Danke, Emanuele, für deinen Mut.“ Diese Begegnung steht beispielhaft für das barmherzige Wirken dieses Papstes.
Am Ostermontag dieses Jahres rief der Vater im Himmel seinen Stellvertreter auf Erden zu sich. Zwölf Jahre lang leitete der aus Argentinien stammende Papst die katholische Kirche. Kommentatoren bemühen sich seither, seine Amtszeit einzuordnen und zu bewerten.
Dabei fällt auf, dass sich manche Urteile weniger an seinem tatsächlichen Wirken orientieren als an persönlichen Erwartungen. Nicht selten wurden Forderungen gestellt, die in ihrer Radikalität oder Eile kaum erfüllbar waren. Der Papst hätte in seiner Amtszeit jahrzehntelang gewachsenes Unrecht heilen, weltpolitische Krisen lösen und die Kirche umfassend reformieren sollen. Solche Ansprüche verkennen die Möglichkeiten seines Amtes und den Auftrag, den Papst Franziskus für sich darin gesehen hat. Ihn deshalb als „unvollendet“ zu bezeichnen, sagt oft mehr über die Maßstäbe manch kirchenferner Kommentatoren als über ihn selbst.
Papst Franziskus verstand sich als Hirte, der Barmherzigkeit, Nähe und Glauben vorlebte. Er gab dem Amt des Nachfolgers Petri besonders menschliche Impulse. In seiner schlichten weißen Soutane stellte er die Armen, Schwachen und Hoffnungslosen ins Zentrum seines Pontifikats: Obdachlose in Rom, Inhaftierte, Flüchtlinge auf Lampedusa und die Opfer des Missbrauchsskandals.
Dabei ist er schwierigen kirchenpolitischen Fragen nicht ausgewichen. Er hat zugehört und vermittelt – und, Gott sei Dank, stets die Einheit der Kirche über Einzelinteressen gestellt. Ich sehe in seinem Handeln Inspiration, in seinen Worten Lehre und in seinem Glauben ein Vorbild.
Was bleibt, ist eine tiefe Dankbarkeit für das Gute, das Papst Franziskus der Kirche und der Welt hinterlassen hat.
Lukas Wrede
Die Begegnung von Emanuele mit Papst Franziskus im Video:
https://youtu.be/zWZea83EOtQ
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