An diesem Wochenende feiern wir in Olpe unser Schützenfest.
Die Fußball-Europameisterschaft ist nun seit einer Woche vorbei und wir haben einen neuen Europameister. Und morgen haben wir in Olpe – so Gott will – einen neuen Schützenkönig.
Aber was haben die Fußball-Europameisterschaft und das Olper Schützenfest denn gemeinsam und warum bringe ich das in einen Zusammenhang?
Ich denke, beide Veranstaltungen sind von den Allerweltslasten befreit, die uns derzeit mehr als genug beschäftigen. Jede Veranstaltung auf ihre Art. Das war schon immer so, und doch hat sich viel rund um die beiden so gar nicht vergleichbaren Veranstaltungen verändert.
Bevor die Fußball-Europameisterschaft begann, gab der englische Stürmer Harry Kane im SPIEGEL ein Interview. Er schilderte, wie er sich im Alltag auf seine Tätigkeit als Torjäger vorbereitet, auf die Eventualitäten des Spiels. Kane sagte: „Manchmal sitze ich Stunden vor einem Spiel zu Hause, entspanne mich und stelle mir die möglichen Situationen vor.“ Es folgte ein faszinierender Satz: „Es ist eine Art Versuch zu wissen, was kommt, ohne zu wissen, was kommt.“
Der Ball beim Fußballspiel ist für den Menschen von einer Faszination, der er sich kaum entziehen kann: Unberechenbar einerseits, andererseits gefügig, manchen Menschen gehorchend, innen leer und doch voller Bedeutung, das Gegenteil eines Würfels, der ein klares Urteil spricht. Der Ball gibt den Spielern Rätsel auf, mit denen sie fertig werden müssen. Das Tor, dass einer schießt, lässt uns vom Sofa emporschnellen oder in ihm versinken, es zerschmettert den Glauben an die Zukunft oder verschafft uns das Gefühl, mit ihr im Bunde zu sein.
Beim Schützenfest, speziell beim Vogelschießen, ist das genauso: Mancher Schuss sitzt, manchmal gehorcht das Gewehr, manchmal nicht. Manchmal reagiert der Vogel wie gewünscht, manchmal nicht. Der Schützenbrüder, der den letzten Schuss macht, ist mit der Zukunft im Bunde, alle anderen Kandidaten resignieren erst einmal.
Die Vorstellungskraft eines Torjägers, die Gedanken des Königsaspiranten in der Vorbereitung auf das Vogelschießen: „Es ist eine Art Versuch zu wissen, was kommt, ohne zu wissen was kommt.“
Beide wissen nicht, was kommt. Auf einmal wissen sie es. Das verändert alles.
Was ist ein Fußballspiel anderes als die Hoffnung auf Tore und die Furcht vor ihnen? Was ist ein Vogelschießen für die Teilnehmer anderes als die Hoffnung, als Schützenkönig aus dem Wettkampf hervorzugehen und die Furcht, dass ein anderer Kandidat mehr Glück hat?
Was ist das Leben anderes als die Beantwortung der Frage: Wie gehe ich mit Hoffnung um und mit der Furcht, dass es eines Tages nicht mal mehr Hoffnung geben könne? Ich empfehle allen Lesern, sich wie Harry Kane ein wenig zu Hause zu entspannen und sich vorzustellen, wie das Leben mit ganz viel Hoffnung und ganz wenig Furcht gefüllt werden kann.
Allen Königsaspiranten wünsche ich morgen viel Glück, allen Schützenbrüdern, Schützenschwestern und Festbesuchern noch einmal von dieser Stelle: Frohe Feiertage!
Ihr/Euer
Schützenmajor Andreas Roll
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