Tauf­stein in St. Clemens Drolshagen

In St. Clemens steht der älteste Tauf­stein unseres Pasto­ralen Raumes

Seit über 800 Jahren empfangen hier die Menschen ihre Taufe, um mit Gott ewig zu leben.

Ich gehe gerne in unsere Sankt Clemens­kirche. Nicht nur zu den Gottes­diensten, nein, auch einfach mal so, unter der Woche. Jetzt, nach der großen Restau­rie­rung der letzten Jahre, bei der auch eine ausge­klü­gelte Beleuch­tungs­an­lage instal­liert wurde, erstrahlen beide Kirchen­räume, die fast tausend­jäh­rige Basi­lika und der Erwei­te­rungsbau aus den 60er Jahren des letzten Jahr­hun­derts, in neuem Glanz.

Unser flei­ßiger Küster sorgt dafür, dass beide Altar­räume sich immer von ihrer besten Seite präsen­tieren. Vor allem die erha­bene Schlicht­heit der Basi­lika hat es mir angetan. Die fünf hohen Säulen­reihen des Mittel­schiffs mit ihren beschei­denen Kapi­tellen und den Kreuz­ge­wölben lenken den Blick unwei­ger­lich zum Chor­raum mit seiner klee­blatt­för­migen Apsis und den vier Säulen aus Eifeler Aquäduktenmamor.

Hoch oben, im Triumph­bogen des Mittel­trakts, prangt ein veräs­teltes Kreuz als Lebensbaum. 

Drol­s­ha­gener Basi­lika nach der Reno­vie­rung 2016

Veräs­teltes Kreuz als Lebensbaum

Unser Tauf­stein

Der Tauf­stein ist der älteste Einrich­tungs­ge­gen­stand in unserer Pfarr­kirche. Er hat seinen Standort im Laufe der Geschichte mehr­fach gewech­selt. Heute befindet er sich unmit­telbar vor der südli­chen Seiten­schif­f­ap­side, in der Nähe des spät­mit­tel­al­ter­li­chen Freskos, das die Stei­ni­gung des Hl. Stephanus zeigt, der als erster Märtyrer der christ­li­chen Kirche gilt.

Das Tauf­be­cken steht auch im Dialog mit der in dunklem Blau gehal­tenen Malerei auf der Glas­scheibe, die ‑wenige Meter entfernt- als Trenn­wand zwischen dem alten und dem neuen Kirchenbau dient. Hier hat der Künstler Thomas Jessen, von dem auch das neue Mari­enr­e­tabel stammt, eine Szene aus Genesis, dem ersten Buch der Bibel fest­ge­halten, die des Durch­zugs der Israe­liten durch das Rote Meer. Für ihn steht dieses Bild, übri­gens auf Augen­höhe mit dem Tauf­stein und daher auch für Kinder gut erkennbar, als Hinweis auf die Taufe. Während die Israe­liten nach erfolg­rei­cher Flucht durch das Meer ledig­lich in die Wüste geführt werden, stellt die Taufe mit dem geweihten Wasser die wahre Befreiung der Christen dar, indem es die Erbsünde tilgt und uns auf Gott ausrichtet.

Bei der Feier der Oster­nacht, in der ja auch das neue Tauf­wasser geweiht wird, wird uns dieser Zusam­men­hang jedes Jahr aufs Neue ins Gedächtnis gerufen.

Das Grafen­paar Hein­rich III. und Mecht­hild von Sayn

Unser Tauf­stein ist aus dem Trachyt­ge­stein des Sieben­ge­birges gefer­tigt. Seine Höhe beträgt 95 cm, sein Durch­messer 110 cm. Das eigent­liche Tauf­be­cken, die sog. Cuppa, bildet einen sechs­sei­tigen Pokal.

Um den oberen Rand des Beckens verläuft ein säuber­lich gear­bei­teter Blatt­dekor, der aus dem Gestein heraus gehauen wurde. Dieser Blatt­fries wird unter­bro­chen durch die Kapi­telle der sechs Trachyt­säulen, die das eigent­liche Tauf­be­cken stützen. Die spät­ro­ma­ni­schen Stil­formen verweisen seine Entste­hung in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Es war genau die Zeit, als das Grafen­paar Hein­rich III. und Mech­tild von Sayn dem Zister­zi­en­ser­orden ein Nonnen­kloster in unserer Stadt stif­tete, dessen Geschicke jahr­hun­der­te­lang das Leben der Menschen im Drol­s­ha­gener Land mitbe­stimmen sollte. Die von Sayn waren es nämlich auch, die fest­legten, dass die Drol­s­ha­gener Kirche von nun an gleich­zeitig Pfarr- und Klos­ter­kirche sein sollte und dass die Äbtissin des Klos­ters das Recht hatte, den Pfarrer zu bestimmen.

Seit fast 800 Jahren also steht dieses Tauf­be­cken in unserer Kirche. Wie mag der Stein, der mehrere hundert Kilo wiegt, aus der Stein­metz­werk­statt neben einem der Stein­brüche am Sieben­ge­birge in unsere Kirche gelangt sein? Immerhin sind es vom Drachen­fels nach Drol­s­hagen auf Feld- und Wald­wegen gut 70 Kilo­meter, bei dem stetigen Bergauf und Bergab durch das rhei­nisch-west­fä­li­sche Schie­fer­ge­birge und den dama­ligen Stra­ßen­ver­hält­nissen sicher­lich eine große Heraus­for­de­rung, sowohl für die mittel­al­ter­li­chen Fuhr­leute als auch für ihre Pferde.

Eine weitere Frage kommt mir in den Sinn: Wie viele meiner Drol­s­ha­gener Vorfahren, ja, wie viele Menschen über­haupt mögen in dieser langen Zeit­spanne von ihren Eltern oder Paten über dieses stei­nerne Becken gehalten und getauft worden sein?

Nahauf­nahme des Drol­s­ha­gener Tauf­steins mit Blattfries

Bau der St. Clemens Basi­lika ab 1235
Gemalt von Marco Panca aus Arequipa in Peru

Beson­dere Gemeinschaft

Die Taufe ist das Sakra­ment, das die Christen über die Zeiten und über die Konfes­sionen hinweg verbindet. Im Ephe­ser­brief heißt es: “…ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, über allen und durch alle und in euch allen” (Eph 4:5–6). Sie ist Real­symbol für die beson­dere, unauf­lös­bare Gemein­schaft des oder der Getauften mit Jesus Christus.

Diese Verbin­dung bleibt bestehen, auch wenn der oder die Getaufte beschließt, aus der Gemein­schaft der Kirche auszu­treten. Die Symbol­kraft der Taufe reicht aber noch weiter: Bei Paulus lesen wir im Römer­brief: Oder wisst ihr nicht, dass wir mit Jesus Christus gestorben sind, als wir auf seinen Namen getauft wurden? Denn durch die Taufe sind wir mit Christus gestorben und begraben. Und genauso wie Christus durch die herr­liche Macht des Vaters von den Toten aufer­standen ist, so können auch wir jetzt ein neues Leben führen. Da wir in seinem Tod mit ihm verbunden sind, werden wir auch in der Aufer­ste­hung mit ihm verbunden sein. (…) Und weil wir mit Christus gestorben sind, vertrauen wir darauf, dass wir auch mit ihm leben werden.“ (Röm 6:3–6 +8).

Gerne denke ich an diese Worte, wenn ich in der alten Kirche bin, und ich berühre dabei den Blatt­fries des uralten Tauf­steins, gerade auch dann, wenn wir in beson­derer Weise unserer Verstor­benen gedenken.

Natür­lich gibt es auch in den anderen Kirchen unseres Pfarr­ver­bunds schöne Tauf­be­cken, einige eben­falls in einem statt­li­chen Alter, andere im modernen Design, und sie alle erfüllen denselben Zweck. Dass auch sie die nächsten Jahr­hun­derte über­dauern mögen, genau wie der Drol­s­ha­gener Tauf­stein und die Kirche, die gerade, von schweren Krisen geschüt­telt, Halt und Orien­tie­rung sucht, das wünsche ich mir.

Unser Drol­s­ha­gener Tauf­stein hat einen Zwillingsbruder

Noch eine Kurio­sität: Unser Drol­s­ha­gener Tauf­stein hat einen Zwil­lings­bruder. Er steht in der Abtei­kirche in Bendorf-Sayn am Rand des Wester­walds zwischen Neuwied und Koblenz. Diese Kirche und das dazu gehö­rende ehema­lige Prämons­tra­ten­s­er­kloster wurden eben­falls von Hein­rich III. und Mecht­hild von Sayn gestiftet, nur wenige Jahre vor der Kirche in Drolshagen.

Tauf­stein im Prämons­tra­ten­s­er­kloster in Bendorf-Sayn im Westerwald

Eine Fahrt durch das schlucht­ar­tige mit dichtem Laub­wald bestan­dene Sayntal zwischen Isen­burg und Bendorf ist gerade im Spät­herbst ein ganz beson­deres Erlebnis (Foto: Nov. 2022)

Autor: Heinz Stachelscheid

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