Eine Bauersfrau ging zum Markt, um Milch zu verkaufen. Sie hatte sich ein Kissen auf den Kopf gebunden und darauf trug sie den mit Milch gefüllten Topf. Dieses Mal habe ich besonders viel Milch anzubieten, dachte sie und stellte sich vor, dass sie sich mit dem Geld, das sie damit erlösen würde, 100 Küken würde kaufen können. Es würde ihr ein Leichtes sein, die Küken groß zu ziehen. Dann würde sie auch diese verkaufen und sich mit dem Erlös ein Schwein kaufen. Das Schwein zu mästen, würde auch kein Problem für sie sein. Das Schwein würde sie dann teuer verkaufen und sich mit dem Erlös eine Kuh und ein Kälbchen anschaffen. Dadurch würde sie zu einer wohlhabenden Frau werden.
Der Gedanke begeisterte sie so sehr, dass sie zu hüpfen begann. Das aber führte dazu, dass der Milchtopf seinen Halt verlor, auf den Boden fiel und zerschellte. Verzweifelt blickte sie zu Boden und auf die Scherben. Sie fürchtete sich davor, wie ihr Mann auf ihr Missgeschick reagieren würde.
Doch schließlich lachte sie darüber und dachte: Es muss möglich sein, von Erfolgen und Glück zu träumen, sich den blauen Himmel auszumalen und Luftschlösser zu bauen. „So wird der Narr zum Weisen, so gehört ihm die Welt.“
Diese Fabel von Jean de La Fontaine spricht mich persönlich besonders an. Immer wieder ertappe auch ich mich dabei, Etappen meines Lebens im Vorhinein planen und definieren zu wollen. Nicht selten aber verläuft mein Leben dann ganz anders als erwartet. Daran kann man zerbrechen, verzweifeln oder aber das Ganze – so wie die Bauersfrau – mit Humor und Gelassenheit annehmen. Mir persönlich hilft dabei vor allem mein Glaube. Er hilft mir zu erkennen, dass der ein oder andere Umweg, den ich mir eigentlich gerne erspart hätte, am Ende nicht selten bereichernd oder auch lehrreich war.
Deshalb, liebe Leserinnen und Leser, verzweifeln wir nicht, wenn die Dinge sich einmal nicht so entwickeln wie wir das gewollt oder uns gewünscht hätten. Vertrauen wir darauf, dass Gottes lenkende Hand uns auf unserem Lebensweg begleitet und sich etwas dabei denkt, wenn und wohin sie uns führt.
Herzliche Grüße
Dr. Stefan Reißner