Gedanken zum Tag — 26. Juli 2023 — Mitt­woch der 16. Woche im Jahreskreis

26. Jul 2023

Zu einem meiner Lieb­lings­lieder, das mich schon mein halbes Leben lang begleitet, gehört der Song „What if God was one of us“, gesungen von der US-ameri­ka­ni­schen Sängerin Joan Osborne, erschienen 1995. In diesem Song geht es um die Vorstel­lung, dass Gott einer von uns sein könnte – ein Mensch wie wir. Der Song­writer Eric Bazi­lian stellt die Frage, wie Gott wohl aussehen und wie er heißen würde, wenn er auf der Erde lebte. In der 1. Strophe heißt es in der deut­schen Übersetzung:

„Wenn Gott einen Namen hätte, wie würde er dann heißen? Und würdest du ihn dann auch damit anreden, wenn du ihm begeg­nest in all seiner Macht und Herr­lich­keit? Was würdest du ihn fragen, wenn du nur eine Frage frei hättest?“

Genau darum ging es in einer meiner letzten Seel­sor­ge­stunden in den 3. Klassen vor den Sommer­fe­rien. In einem „Gedan­ken­ex­pe­ri­ment“ sollten die Kinder sich vorstellen, dass sie Gott in diesem Moment begegnen würden, dass er zur Tür herein­kommt und dass sie ihn alles fragen dürfen, was sie schon immer von Gott wissen wollten. Ich war erstaunt, wie mucks­mäus­chen­still und hoch­kon­zen­triert die Kinder das Blatt mit der Über­schrift „Was fragst du Gott?“ ausge­füllt haben.

Hier ist eine kleine Auswahl der Antworten:
Wer bist du eigent­lich? Wer ist dein Vater? Wer hat dich gemacht? Wer ist mein Schutz­engel? Wie alt bist du? Wie kommt man in dein Reich? Wie sieht es im Himmel aus? Wie kannst du deine ganze Arbeit schaffen? Wie alt werde ich? Wie hast du die Welt erschaffen? Was ist deine Lieb­lings­farbe? Was ist dein Lieb­lings­hobby? Was für ein Geschlecht bist du? Was ist dein Lieb­lings­essen? Was machst du so im Himmel? Was könn­test du tun, wenn wir traurig sind? Wieso hört der Krieg nicht auf? Wieso sterben wir? Wieso habe ich manchmal blöde Gedanken? Wieso bin ich so wert­voll? Wieso bist du unsichtbar? Wieso ist meine Uroma gestorben? Wieso liebst du alle Menschen? Weshalb sind die Dinos ausge­storben? Weshalb gibt es Krank­heiten? Weshalb hast du deinen Sohn Jesus genannt? Weshalb gibt es Jahres­zeiten? Weshalb hast du die Welt in deiner Hand? Weshalb ist es abends dunkel und tags­über hell? Warum sterben wir alle irgend­wann? Warum gibt es das Weltall? Warum gibt es böse Menschen? Warum wohnst du im Himmel? Warum nennt man dich Vater? Warum gibt es mich? Warum ist mein Kanin­chen gestorben, es war doch erst 2? Warum hast du Jungen und Mädchen gemacht? Werde ich Pilot? Kann ich dich sehen, wenn ich tot bin? Hast du eine Frau?

Diese und alle weiteren Fragen haben mich emotional sehr berührt, denn sie zeigen wieder einmal, wie viele Gedanken und Sorgen sich Kinder machen, wie groß ihre kind­liche Spiri­tua­lität und die Verbun­den­heit mit dem Gött­li­chen noch ist. Ebenso wie der Hirn­for­scher Gerald Hüther, glaube auch ich, dass Kinder spiri­tuell hoch begabt auf die Welt kommen. Die Fähig­keit zu vertrauen, zuver­sicht­lich zu sein, achtsam die Welt wahr­zu­nehmen, sich in andere empa­thisch einzu­fühlen, verbind­liche Bezie­hungen einzu­gehen, das Leiden anderer Lebe­wesen zu erkennen und lindern zu wollen – all das ist unseren Kindern schon in frühen Jahren gegeben. Viele von uns Erwach­senen haben diese Fähig­keiten auf ihrem Weg verloren und müssen sie sich wieder neu erarbeiten.

Viel­leicht mögen Sie sich heute auch einmal vorstellen, Gott käme durch Ihre Tür. Was würden Sie ihn fragen?

Gerlind Kaptain
(Gemein­de­re­fe­rentin)

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