Zu einem meiner Lieblingslieder, das mich schon mein halbes Leben lang begleitet, gehört der Song „What if God was one of us“, gesungen von der US-amerikanischen Sängerin Joan Osborne, erschienen 1995. In diesem Song geht es um die Vorstellung, dass Gott einer von uns sein könnte – ein Mensch wie wir. Der Songwriter Eric Bazilian stellt die Frage, wie Gott wohl aussehen und wie er heißen würde, wenn er auf der Erde lebte. In der 1. Strophe heißt es in der deutschen Übersetzung:
„Wenn Gott einen Namen hätte, wie würde er dann heißen? Und würdest du ihn dann auch damit anreden, wenn du ihm begegnest in all seiner Macht und Herrlichkeit? Was würdest du ihn fragen, wenn du nur eine Frage frei hättest?“
Genau darum ging es in einer meiner letzten Seelsorgestunden in den 3. Klassen vor den Sommerferien. In einem „Gedankenexperiment“ sollten die Kinder sich vorstellen, dass sie Gott in diesem Moment begegnen würden, dass er zur Tür hereinkommt und dass sie ihn alles fragen dürfen, was sie schon immer von Gott wissen wollten. Ich war erstaunt, wie mucksmäuschenstill und hochkonzentriert die Kinder das Blatt mit der Überschrift „Was fragst du Gott?“ ausgefüllt haben.
Hier ist eine kleine Auswahl der Antworten:
Wer bist du eigentlich? Wer ist dein Vater? Wer hat dich gemacht? Wer ist mein Schutzengel? Wie alt bist du? Wie kommt man in dein Reich? Wie sieht es im Himmel aus? Wie kannst du deine ganze Arbeit schaffen? Wie alt werde ich? Wie hast du die Welt erschaffen? Was ist deine Lieblingsfarbe? Was ist dein Lieblingshobby? Was für ein Geschlecht bist du? Was ist dein Lieblingsessen? Was machst du so im Himmel? Was könntest du tun, wenn wir traurig sind? Wieso hört der Krieg nicht auf? Wieso sterben wir? Wieso habe ich manchmal blöde Gedanken? Wieso bin ich so wertvoll? Wieso bist du unsichtbar? Wieso ist meine Uroma gestorben? Wieso liebst du alle Menschen? Weshalb sind die Dinos ausgestorben? Weshalb gibt es Krankheiten? Weshalb hast du deinen Sohn Jesus genannt? Weshalb gibt es Jahreszeiten? Weshalb hast du die Welt in deiner Hand? Weshalb ist es abends dunkel und tagsüber hell? Warum sterben wir alle irgendwann? Warum gibt es das Weltall? Warum gibt es böse Menschen? Warum wohnst du im Himmel? Warum nennt man dich Vater? Warum gibt es mich? Warum ist mein Kaninchen gestorben, es war doch erst 2? Warum hast du Jungen und Mädchen gemacht? Werde ich Pilot? Kann ich dich sehen, wenn ich tot bin? Hast du eine Frau?
Diese und alle weiteren Fragen haben mich emotional sehr berührt, denn sie zeigen wieder einmal, wie viele Gedanken und Sorgen sich Kinder machen, wie groß ihre kindliche Spiritualität und die Verbundenheit mit dem Göttlichen noch ist. Ebenso wie der Hirnforscher Gerald Hüther, glaube auch ich, dass Kinder spirituell hoch begabt auf die Welt kommen. Die Fähigkeit zu vertrauen, zuversichtlich zu sein, achtsam die Welt wahrzunehmen, sich in andere empathisch einzufühlen, verbindliche Beziehungen einzugehen, das Leiden anderer Lebewesen zu erkennen und lindern zu wollen – all das ist unseren Kindern schon in frühen Jahren gegeben. Viele von uns Erwachsenen haben diese Fähigkeiten auf ihrem Weg verloren und müssen sie sich wieder neu erarbeiten.
Vielleicht mögen Sie sich heute auch einmal vorstellen, Gott käme durch Ihre Tür. Was würden Sie ihn fragen?
Gerlind Kaptain
(Gemeindereferentin)