Am Palmsonntag beginnen wir die Karwoche mit dem Evangelium vom Einzug Jesus in Jerusalem. Die Segnung der Palmzweige und die dazugehörige Prozession sind Tradition und uns Christen wichtig. Wir hören das Evangelium und haben vielleicht Bilder im Kopf: Von uns selbst mit Palmzweigen in der Hand. Oder wir denken an Bilder aus Kinderbibeln oder Filmen. Wir haben vielleicht den Liedruf „Hosanna, dem Sohne Davids“ im Ohr. Palmsonntag und dieser Jubel gehören zusammen.
Jubel – so richtig passt das aber nicht in diese Woche. Angst und Sorgen stehen im Vordergrund. Gesellschaftlich, politisch und auch kirchlich. Der Krieg in der Ukraine, Klimawandel, Corona-Pandemie, der Missbrauchsskandal in der Kirche und die damit verbundenen Austritte von vielen enttäuschten Menschen.
Jubel passt da gerade nicht. Die Texte am Palmsonntag bleiben aber nicht beim Jubel und der Verehrung stehen. In der darauffolgenden Passionsgeschichte lesen wir von Jesus Leiden und seinem Tod am Kreuz. Er, der nach Jerusalem einzieht, wird auch das Kreuz nach Golgotha tragen, gekreuzigt und begraben werden. In diesem Weg finde ich schon eher meine Sorgen und Bedenken wieder. Die Jünger gehen diesen Weg mit. Nach der Überlieferung redet Jesus an zahlreichen Stellen von seinem bevorstehenden Tod. Die Jünger können und wollen ihm aber nicht glauben.
Etwas hören und nicht glauben können, dass es passieren wird….
In den letzten zwei Jahren haben wir das mit vielen Dingen erlebt: Die Maßnahmen in der Pandemie, der Ausbruch eines Krieges in Europa, die Auswirkungen der Klimakrise. Kein Grund zum Jubel also…
Warum aber jubeln dann in der Bibelstelle die Jünger und die Leute? Warum legen sie Kleider auf den Weg und streuen Zweige aus? Spannend ist, dass das „Hosanna“ aus dem Psalm 118 kommt, Vers 25 und 26: „Ach, Herr, hilf doch! Ach, Herr, gib doch Gelingen! Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn.“
Hosanna bedeutet ursprünglich: „Bring doch Hilfe!“ Es ist also demnach auch ein Bitt- und Hilferuf. „Ach, Herr, hilf doch“ so können wir – genauso wie die Menschen zur Zeit Jesu — diesen Ruf verstehen.
Gerade in diesen Tagen erlebe ich Vieles, was mir Angst und Sorgen macht, was mich nicht loslässt oder mich ständig beschäftigt. Gleichzeitig merke ich, dass mir dieses ewige Gedankenkreisen nicht guttut. Dann versuche ich, mit einem kurzen Gebet all das Gott anzuvertrauen. Beim Einatmen bete ich still „Jesus Christus“ und beim Ausatmen „erbarme dich“. So gelingt es mir, das, was mich beschäftigt, loszulassen und meine eigenen Gedanken zu unterbrechen. In den Jubel „Hosanna dem Sohne Davids“, den ich mit dem Palmsonntag verbinde, kann ich als Bittruf heute jedenfalls sehr gut einstimmen. Und die gesegneten Palmzweige schenken mir Hoffnung und Zuversicht.
Ich wünsche ihnen einen schönen Palmsonntag und eine gesegnete Karwoche.
Ihre Gerlind Kaptain
(Gemeindereferentin)