Kennen Sie die Geschichte vom Axtdieb?
„Ein Mann hatte seine Axt verloren. Er vermutete, der Sohn des Nachbarn habe sie ihm gestohlen. Also beobachtete er den Nachbarjungen genau.
Wie der Junge sich bewegte, sein Blick, seine äußere Erscheinung war typisch für einen Dieb. Einige Zeit später fand der Mann seine Axt unter einem Bretterhaufen.
Er selbst hatte sie dort vergessen.
Am nächsten Tag sah er den Nachbarjungen wieder. Und siehe da; sein Gang, sein Blick, seine Bewegungen waren nicht die eines Axtdiebes.“ (nach Lao Tse)
Diese sehr alte chinesische Geschichte hält uns einen Spiegel vor. Woher kommt das? Wieso sehen wir manche Menschen von vornherein so an, als wären sie uns feindlich gesonnen? Gerade jetzt in der aktuellen Diskussion um Rassendiskriminierung werfen Vorurteile einen unguten Schatten auf diese Menschen.
Akzeptanz und Toleranz werden in unserer Gesellschaft großgeschrieben. Unsere Haltung spricht manchmal eine andere Sprache. Selbstverständlich bin ich tolerant – solange es mich nicht einschränkt. Natürlich akzeptiere ich jeden – wenn er mir nicht zu nahekommt. Das Andersartige macht manchmal Angst. Es ist mir fremd. Eigentlich ist es zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre, wenn Menschen erzählen wie sie in banalen Alltagssituationen verbal verletzt werden, auf Grund ihres äußeren Erscheinungsbildes und ich spüre, dass ist nicht gut.
Vielleicht fangen wir einmal an, nicht die anderen Menschen, sondern unser eigenes Verhalten zu beobachten: im Wartezimmer beim Arzt, im Zug, in der Schlange vor der Kasse oder bei anderen Gelegenheiten. Was denken wir über die Menschen, die wir sehen?
Wie schnell ist unser Urteil über andere fertig, und der Axtdieb lauert um die Ecke, obwohl wir nur Fassade, nur Hülle sehen?
Paulus erinnert die Gemeinde an ihre Anfänge und empfiehlt: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zur Ehre Gottes.“ (Röm. 15,7)
Leichter gesagt als getan.
Das erfordert Respekt und Demut von jedem für den anderen, und das Erbarmen Gottes für uns, wenn wir es wieder einmal nicht schaffen.
Beate Schröder