Gedanken zum Tag – 19. April 2020, 2. Sonntag nach Ostern

19. Apr. 2020

Weißen­sonntag. Heute wollten in unserem Pasto­ral­ver­bund 113 Kinder das Fest ihrer Erst­kom­mu­nion feiern. Ein halbes Jahr lang haben sie sich inner­halb der Seel­sor­ge­stunden in der Schule und in Tisch­grup­pen­treffen vorbe­reitet. Sie haben gemeinsam Weggot­tes­dienste gefeiert, ihr Tauf­be­kenntnis erneuert und das Sakra­ment der Beichte empfangen. Auch in den Fami­lien war alles für die große Feier vorbe­reitet. Gäste einge­laden, Kommu­ni­on­klei­dung gekauft, Essen geplant und vieles mehr. Alle haben sich für diesen Tag Zeit genommen und sich darauf gefreut. Dass Kontakte nun einge­schränkt sind, damit alle gesund bleiben, leuchtet ein, macht aber auch traurig. Das Fest darf nicht gefeiert werden, eine Alter­na­tive kann noch nicht geplant werden. Wir befinden uns mitten in dieser Krise- viel­leicht erst am Anfang.

„Wie wird es weiter­gehen? Wie können wir diese Krise durch­stehen? Was gibt uns neuen Mut? Woher bekommen wir neue Kraft?“ Das sind wich­tige Fragen in dieser Zeit.

Unser Glaube kann hier eine beson­dere Perspek­tive anbieten. Viele Reli­gionen, Welt­an­schau­ungen und Spiri­tua­li­täten verbindet die Über­zeu­gung, dass es Quellen von Kraft und Leben­dig­keit gibt, die tiefer liegen als das unmit­telbar Sicht- und Mach­bare. Oder von einem perso­nalen, liebes­fä­higen Gott her formu­liert: Wir dürfen damit rechnen, dass Gott für mich zur rechten Zeit etwas bereit­hält, was mir weiter­hilft in Wüsten, Wider­ständen und Krisen.

Es gibt eine inter­es­sante bibli­sche Geschichte im ersten Buch der Könige, die das in ein exis­ten­ti­elles Bild fasst. Vielen Erst­kom­mu­ni­on­fa­mi­lien ist sie als Lesung aus der Fest­messe oder der Andacht am Weißen­sonntag bekannt. Im Mittel­punkt steht der Prophet Elija. Er wird betrachtet im Moment einer schweren Lebens­krise. Szenisch ausge­drückt wird das durch das Bild der Wüste. Doch dann passiert etwas:

„Elija ging eine Tage­reise weit in die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Gins­ter­strauch und wünschte sich den Tod.

Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter. Dann legte er sich unter den Gins­ter­strauch und schlief ein.
Doch ein Engel rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss!

Als er um sich blickte, sah er neben seinem Kopf Brot, das in glühender Asche geba­cken war, und einen Krug mit Wasser. Er aß und trank und legte sich wieder hin.

Doch der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal, rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich. Da stand er auf, aß und trank und wanderte, durch diese Speise gestärkt, vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottes­berg Horeb.“
(1 Kön 19,4–8)

Das Bild vom Engel ist ein Exis­tenz­bild. Es geht da nicht um ein wunder­li­ches Flügel­wesen. Ein Engel ist ein Bote Gottes. Ein Bote, der etwas von Gott zeigen, etwas von seiner Kraft bringen kann. Das kann für uns beispiels­weise ein Mensch sein, der in einer bestimmten Situa­tion zum Engel wird. Elija begegnet in dieser Szene einem solchen Engel. Und dieser bringt ihn in Kontakt mit neuen Ressourcen.

Der Engel erscheint in dem Moment, wo Elija loszu­lassen beginnt, darge­stellt durch das Bild des Schlafes. Er hat alles gegeben. Mehr hat er nicht. Nun muss entweder Hilfe kommen, oder er geht zugrunde. In diesem Moment, wo er loslässt, kommt das Neue. Der Engel kommt und mit ihm neue seeli­sche Nahrung. Eines aller­dings muss Elija dann wieder tun. Er muss aufstehen: „Erhebe dich, richte dich auf, steh‘ auf.“ Und er muss essen: „Iss, trink, nähre dich. Sonst ist der Weg zu weit für dich.“

Auf unseren Lebens­alltag — auch auf unser Verhalten in dieser Krise — über­tragen kann das heißen: Schau‘ dich um, viel­leicht begegnet dir gerade ein Engel und hat für dich neue Nahrung dabei. Etwas, das deine Lebens­kraft, deinen Lebensmut rege­ne­rieren kann. Wahr­schein­lich ist es kein beson­deres Ereignis, kein rauschendes Fest, kein gewal­tiger Glücks­mo­ment. Sondern eine von den schlichten, alltäg­li­chen Nahrungs­quellen. Gerade jetzt ist es wichtig, diese achtsam wahr­zu­nehmen, wert­zu­schätzen und auszu­kosten. Die kleinen Kraft- und Mutspritzen, ein Lächeln, ein freund­li­ches Wort, ein Brief, ein schöner Film, ein trös­tendes Augen­zwin­kern, ein Song, ein Video­clip, ein Abend­essen, ein Spiel, ein Vogel am Himmel…

Schau dich um in deinem Leben nach „Brot“ und „Wasser“, nach den großen und kleinen Kraft­quellen. Und dann steh‘ auf und iss. Ich – Gott – sorge dafür, dass du seelisch nicht verhun­gerst. Du – Mensch – musst im rechten Augen­blick aufstehen und essen, um Kraft zu bekommen für den nächsten Schritt.

Auf dass wir diese Kraft­quellen mehr und mehr aufspüren und wahrnehmen!

Gerlind Kaptain und Marie-Chris­tine Stein

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