Heute beginnen sie: die österlichen Festtage. Sterben- und Auferstehungserfahrungen, verdichtet auf drei Tage.
Aber damit wird es dieses Jahr nichts. Stattdessen: langer Atem und Geduld.
Gründonnerstag eine Herleitung des Namens verweist auf das Wort „Greinen“ — weinend den Mund verziehen.
Ja, es ist zum Weinen – ja, es ist geradezu zum Heulen!
Die Angst und Ohnmacht vor der Dunkelheit, die Sicherheiten nimmt.
Das sich einschleichende „Arme Dier“ und „Seelchen Piepen“ vor all den Überforderungen und Belastungen, die Enttäuschung angesichts so vieler froher vergeblicher Erwartungen an das Fest…wer würde derzeit nichts hier zu schreiben wissen…
Und Jesus – welche Ängste plagten ihn, welche Verzweiflung und Sehnsüchte im Garten Gethsemane, welch schlaflose Nacht vor dem Schrecklichen, das da kommt. Solidarisch halten Christengemeinden deswegen zusammen Nachtwachen oder Gebetsstunden. In diesem Jahr? Wir sind zurückgeworfen auf Begegnungen im Kleinen. Derart vielleicht aber gar nicht weit weg vom Liebesmahl Jesu im engsten Kreis.
Statt „Greinen“ eine weitere Perspektive, da ich in meinem Vertrauen so heftig erschüttert werde.
Von einem alten Brauch wird erzählt: am Gründonnerstag besonders grünes Gemüse und grüne Kräuter zu essen. Das entsprach damaligen Fastenvorschriften, sowie vorchristlichen Vorstellungen, dass dadurch die Kraft des Frühlings eine Heilwirkung für das ganze Jahr aufgenommen werde. Grün steht für das Bestellen von Feld und Garten, die erste Frühlingsaussaat mit Hoffnung auf reichen Ertrag. Ernten wie heute.
Lange ist‘s her, da habe ich den Jugendliturgiekreis der KJG in St. Martinus geleitet. Die Kar- und Ostertage waren etwas ganz Besonderes. Ein Text von R. O. Wiemer (1905–1998) gehört seitdem noch immer zu meinen Lieblingstexten.
Chance der Bärenraupe, über die Straße zu kommen?
Keine Chance.
Sechs Meter Asphalt.
Zwanzig Autos in einer Minute.
Fünf Laster, ein Schlepper, ein Pferdefuhrwerk.
Die Bärenraupe weiß nichts von Autos.
Sie weiß nicht, wie breit der Asphalt ist
Weiß nichts von Fußgängern, Radfahrern, Mopeds.
Die Bärenraupe weiß nur, dass jenseits Grün wächst.
Herrliches Grün, vermutlich fressbar.
Sie hat Lust auf Grün. Man müsste hinüber.
Keine Chance. Sechs Meter Asphalt.
Sie geht los. Geht los auf Stummelfüßen.
Zwanzig Autos in der Minute.
Geht los ohne Hast. Ohne Furcht. Ohne Taktik.
Fünf Laster. Ein Schlepper. Ein Pferdefuhrwerk.
Geht los und geht und geht und geht und kommt an.
Als wäre das nichts, so kommt er daher — der Erfolg der Bärenraupe. Dabei hat sie doch etwas komplett Unmögliches geschafft.
So wie Jesus auch – in fast unvorstellbarem Vertrauen den unmöglichen Kreuzweg gegangen und angekommen — in der bergenden Hand Gottes.
Ist es nicht toll, dass die Bärenraupe es schafft. Fünf Laster, ein Schlepper, ein Pferdefuhrwerk. Und nächstes Jahr Gründonnerstag, siehe da: Staunen: …wie haben wir das nur bewältigt!?
Übrigens — Raupen ahnen auch nichts davon, dass sie Schmetterlinge werden.
Raphaele Voß
Bildquelle: Raphaele Voss