Gedanken zum Tag – 09. April 2020, Gründonnerstag

9. Apr. 2020

Heute beginnen sie: die öster­li­chen Fest­tage. Sterben- und Aufer­ste­hungs­er­fah­rungen, verdichtet auf drei Tage.
Aber damit wird es dieses Jahr nichts. Statt­dessen: langer Atem und Geduld.

Gründonnerstag eine Herlei­tung des Namens verweist auf das Wort „Greinen“ — weinend den Mund verziehen.
Ja, es ist zum Weinen – ja, es ist gera­dezu zum Heulen!
Die Angst und Ohnmacht vor der Dunkel­heit, die Sicher­heiten nimmt.
Das sich einschlei­chende „Arme Dier“ und „Seel­chen Piepen“ vor all den Über­for­de­rungen und Belas­tungen, die Enttäu­schung ange­sichts so vieler froher vergeb­li­cher Erwar­tungen an das Fest…wer würde derzeit nichts hier zu schreiben wissen…

Und Jesus – welche Ängste plagten ihn, welche Verzweif­lung und Sehn­süchte im Garten Geth­se­mane, welch schlaf­lose Nacht vor dem Schreck­li­chen, das da kommt. Soli­da­risch halten Chris­ten­ge­meinden deswegen zusammen Nacht­wa­chen oder Gebets­stunden. In diesem Jahr? Wir sind zurück­ge­worfen auf Begeg­nungen im Kleinen. Derart viel­leicht aber gar nicht weit weg vom Liebes­mahl Jesu im engsten Kreis.

Statt „Greinen“ eine weitere Perspek­tive, da ich in meinem Vertrauen so heftig erschüt­tert werde.
Von einem alten Brauch wird erzählt: am Grün­don­nerstag beson­ders grünes Gemüse und grüne Kräuter zu essen. Das entsprach dama­ligen Fasten­vor­schriften, sowie vorchrist­li­chen Vorstel­lungen, dass dadurch die Kraft des Früh­lings eine Heil­wir­kung für das ganze Jahr aufge­nommen werde. Grün steht für das Bestellen von Feld und Garten, die erste Früh­lings­aus­saat mit Hoff­nung auf reichen Ertrag. Ernten wie heute.

Lange ist‘s her, da habe ich den Jugend­lit­ur­gie­kreis der KJG in St. Martinus geleitet. Die Kar- und Oster­tage waren etwas ganz Beson­deres. Ein Text von R. O. Wiemer (1905–1998) gehört seitdem noch immer zu meinen Lieblingstexten.

Chance der Bären­raupe, über die Straße zu kommen?

Keine Chance.
Sechs Meter Asphalt.
Zwanzig Autos in einer Minute.
Fünf Laster, ein Schlepper, ein Pferdefuhrwerk.
Die Bären­raupe weiß nichts von Autos.
Sie weiß nicht, wie breit der Asphalt ist
Weiß nichts von Fußgän­gern, Radfah­rern, Mopeds.
Die Bären­raupe weiß nur, dass jenseits Grün wächst.
Herr­li­ches Grün, vermut­lich fressbar.
Sie hat Lust auf Grün. Man müsste hinüber.
Keine Chance. Sechs Meter Asphalt.
Sie geht los. Geht los auf Stummelfüßen.
Zwanzig Autos in der Minute.
Geht los ohne Hast. Ohne Furcht. Ohne Taktik.
Fünf Laster. Ein Schlepper. Ein Pferdefuhrwerk.
Geht los und geht und geht und geht und kommt an.

 

Als wäre das nichts, so kommt er daher — der Erfolg der Bären­raupe. Dabei hat sie doch etwas komplett Unmög­li­ches geschafft.
So wie Jesus auch – in fast unvor­stell­barem Vertrauen den unmög­li­chen Kreuzweg gegangen und ange­kommen — in der bergenden Hand Gottes.

Ist es nicht toll, dass die Bären­raupe es schafft. Fünf Laster, ein Schlepper, ein Pfer­de­fuhr­werk. Und nächstes Jahr Grün­don­nerstag, siehe da: Staunen: …wie haben wir das nur bewältigt!?

Übri­gens — Raupen ahnen auch nichts davon, dass sie Schmet­ter­linge werden.

Raphaele Voß

Bild­quelle: Raphaele Voss

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